Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Bedarf an hauswirtschaftlicher Unterstützung. Haushaltshilfe. Anwendbarkeit von § 27 Abs 3 S 1 SGB 12 bzw § 61 Abs 1 S 2 SGB 12
Orientierungssatz
1. Im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende können die Kosten für eine Haushaltshilfe nicht im Wege einer analogen Anwendung des § 27 Abs 3 S 1 SGB 12 übernommen werden, da es insoweit an einer Regelungslücke fehlt (vgl LSG Hamburg vom 5.7.2005 - L 5 B 159/05 ER AS).
2. Ein Empfänger von Leistungen nach dem SGB 2, der unterhalb der Schwelle der §§ 14, 15 SGB 11 (Pflegestufe "0") Hilfe zur Führung des Haushalts benötigt, kann gem § 61 Abs 1 S 2 SGB 12 einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine Haushaltshilfe haben.
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Übernahme der Kosten einer Haushaltshilfe.
Die ... 1944 geborene Klägerin bezog bis 31.12.2004 von der Beklagten laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Zusätzlich übernahm die Beklagte die Kosten einer Haushaltshilfe im Umfang von vier Stunden pro Woche (Bescheid vom 16.08.2004). Seit dem 01.01.2005 bezieht die Klägerin Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom J C S. Bei der Klägerin bestehen erhebliche degenerative Veränderungen insbesondere der Wirbelsäule mit Verengung der Wirbellöcher (Foramenstenosen). Sie ist in schmerztherapeutischer und wegen Depressionen zusätzlich in psychologischer Behandlung.
Am 10.06.2005 beantragte die Klägerin erneut die Kostenübernahme für Nachbarschaftshilfe. Sie benötige auch weiterhin eine Unterstützung beim Einkaufen, bei der Wohnungsreinigung und bei der Wäscheversorgung. Mit Bescheid vom 16.06.2005 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Personen, die Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II bezögen, seien nach § 21 SGB XII grundsätzlich von Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII ausgeschlossen, sodass in diesen Fällen auch keine Leistungen nach §§ 27 Abs. 3 SGB XII bzw. 73 SGB XII gewährt werden könnten.
Am 10.07.2005 erhob die Klägerin Widerspruch. Sie verwies erneut darauf, dass sie aufgrund ihrer erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen Unterstützung benötige, um ihren Alltag bewältigen zu können. Mit Widerspruchsbescheid vom 12.12.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Bedarf an hauswirtschaftlicher Unterstützung sei nach Art und Umfang unbestritten. Hilfe für ausschließlich hauswirtschaftliche Verrichtungen sei Teil der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel. Für Personen, deren Lebensunterhalt aus anderem Einkommen gedeckt sei und die daher keine laufende Hilfe nach dem Dritten oder Vierten Kapitel erhielten, sei der Anspruch in § 27 Abs. 3 SGB XII geregelt. Nach § 21 SGB XII erhielten jedoch Personen, die Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II hätten, keinerlei Leistungen zum Lebensunterhalt. Damit seien sie von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel SGB XII ausgeschlossen. Die Ausnahmeregelung des § 34 sei hier nicht anwendbar. Ein Anspruch könne auch nicht auf die Regelung des § 73 SGB XII als Bedarf in sonstigen Lebenslagen begründet werden. Diese Regelung komme nur bei Lebenslagen zur Anwendung, für die es noch keine sozialgesetzliche Regelung gebe. Dies treffe jedoch auf die Haushaltshilfe nicht zu.
Am 19.01.2006 hat die Klägerin beim Sozialgericht Stuttgart Klage erhoben. Ihr blieben zum Leben monatlich knapp 220,00 Euro. Hiervon müsste sie auch noch Fahrtkosten zu Ärzten und Selbstzahlung von Medikamenten leisten, sodass sie die Kosten für eine Haushaltshilfe nicht bestreiten könne.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 16.06.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.12.2005 zu verurteilen, ihre Kosten für eine Haushaltshilfe im Umfang von wöchentlich vier Stunden zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt sie im wesentlichen wie im Widerspruchsbescheid vor. Zusätzlich führt sie aus, dass ein Anspruch nach § 61 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 Nr. 4 SGB XII (Hilfe zur Pflege) nicht bestehe. Hierzu wäre Voraussetzung, dass zumindest eine grundpflegerische Verrichtung (z. B. Hilfe beim Waschen) benötigt würde. Hierfür lägen keine Nachweise vor. Ein Unterstützungsbedarf im Bereich der Körperpflege, Mobilität oder Ernährung sei bei der Klägerin weder durch die Berichte des Sozialdienstes, noch durch die vorgelegten ärztlichen Atteste, noch durch die Klägerin selbst genannt worden. Voraussetzung für die Zuordnung zur Hilfe zur Pflege sei, dass nicht nur hauswirtschaftliche Hilfe erforderlich sei, sondern auch eine (wenn auch nur geringfügige) körperbezogene Verrichtung an der Person gemäß § 61 Abs. 5 Nr. 1 bis 3 SGB XII (Körperpflege, Mobilität oder Ernährung) erforderlich sei. Selbst ein geringfügiger grundpflegerischer Bedarf führe dazu, dass auch der Bedarf an hauswirtschaftlicher Versorgung der Hilfe zur Pflege zuzuordnen sei. Die bean...