Entscheidungsstichwort (Thema)
Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung. Anwendbarkeit der Ausnahmebestimmungen von § 1 S 3 SGB 6 und § 27 Abs 1 Nr 5 SGB 3 auch für Verwaltungsräte einer monistisch organisierten europäischen Aktiengesellschaft (SE)
Leitsatz (amtlich)
Verwaltungsräte einer monistisch organisierten SE mit Sitz in Deutschland, die nicht gleichzeitig geschäftsführende Direktoren sind, können sich ebenfalls auf § 1 S 3 SGB VI und § 27 Abs 1 Nr 5 SGB III berufen und sind damit versicherungsfrei in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung.
Tenor
Der Bescheid vom 28.05.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.03.2016 wird abgeändert und festgestellt, dass die Klägerin in ihrer Tätigkeit als Verwaltungsratsmitglied bei der Beigeladenen zu 1) vom 17.09.2014 bis zum 31.12.2015 sowie ab dem 01.04.2018 auch nicht der gesetzlichen Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.
Die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin hat die Beklagte dem Grunde nach in voller Höhe zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Feststellung der Sozialversicherungspflicht ihrer Tätigkeit als Verwaltungsratsmitglied bei der Beigeladenen zu 1) vom 17.09.2014 bis zum 31.12.2015 sowie ab dem 01.04.2018 im Rahmen des Statusfeststellungsverfahrens.
Am 15.10.2014 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Feststellung, dass ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht vorliege. Sie gab dazu an, dass sie Verwaltungsratsmitglied der Beigeladenen zu 1) sei. Bei dieser handelt es sich um eine frühere deutsche Aktiengesellschaft (E. AG), die mit Wirkung zum 17.09.2014 in eine Europäische Aktiengesellschaft (Societas Europaea, SE) umgewandelt wurde. Die Beigeladene zu 1) wählte bei dieser Umwandlung ein sogenanntes monistisches Leitungssystem. Bei diesem ist das Leitungsorgan der SE der Verwaltungsrat. Vertreten wird die SE durch die geschäftsführenden Direktoren. Der Verwaltungsrat der Beigeladenen zu 1) besteht aus den bisherigen vier Vorständen sowie aus vier ehemaligen Aufsichtsratsmitgliedern der E. AG. Bis zum 16.09.2014 war die Klägerin als Vorstand der E. AG von der Sozialversicherungspflicht ausgenommen. Die Mitglieder des Verwaltungsrats erhalten, soweit sie - wie die Klägerin - nicht geschäftsführende Direktoren sind, eine monatliche Vergütung in Höhe von 5.000,00 Euro, das heißt 60.000,00 Euro pro Kalenderjahr. Darüber hinaus erhalten sie für jede persönliche Teilnahme an einer Sitzung des Verwaltungsrats ein Sitzungsgeld in Höhe von 2.000,00 Euro. Sitzungen des Verwaltungsrats müssen mindestens alle drei Monate stattfinden, sodass mindestens vier Sitzungen des Verwaltungsrats im Kalenderjahr stattfinden müssen.
Mit Bescheid vom 28.05.2015 stellte die Beklagte nach Anhörung sowohl der Klägerin als auch der Beigeladenen zu 1) fest, dass die Tätigkeit der Klägerin bei der Beigeladenen zu 1) seit dem 17.09.2014 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde. In dem Beschäftigungsverhältnis bestehe Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung, nicht hingegen in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung. Als Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis führte die Beklagte an: Der Verwaltungsrat leite mit seinen Mitgliedern die Geschäfte, bestimme die Grundlinien der Tätigkeit und überwache deren Einhaltung. Er habe das Letztentscheidungsrecht und übernehme die Letztverantwortung für die Unternehmenspolitik (damit keine reine Überwachungsverantwortung). Die Tätigkeit werde tatsächlich leitend ausgeübt. Diese Leitungsverantwortung könne nicht auf die geschäftsführenden Direktoren übertragen werden. In der ausgeübten Tätigkeit unterlägen die Verwaltungsratsmitglieder den Vorschriften der Gesetze, der Satzung und der Geschäftsordnung. Die Klägerin könne jederzeit durch die Hauptversammlung abberufen werden. In der Tätigkeit bestehe mangels Rechtsmacht der Klägerin kein maßgeblicher, bestimmender Einfluss auf die Geschicke der Beigeladenen. Es werde eine feste, erfolgsunabhängige Vergütung gezahlt. Merkmale für eine selbstständige Tätigkeit lägen nicht vor.
Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch, den sie insbesondere damit begründete, dass sie als Mitglied des Verwaltungsrates ihre gesetzlichen Aufgaben in persönlicher Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit wahrnehme. Insbesondere existiere kein - wie auch immer geartetes - Weisungsrecht der SE-Aktionäre. Das Argument, dass in der Tätigkeit mangels Rechtsmacht kein maßgeblicher, bestimmender Einfluss auf die Geschicke der Beigeladenen bestehe, stimme zum einen nicht und stehe zum anderen in Widerspruch zum ebenfalls von der Beklagten für eine angebliche Abhängigkeit herangezogenen Argument, dass der Verwaltungsrat mit seinen Mitgliedern die Geschäfte leite und die Grundlinien der Tätigkeit bestimme so...