Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsprüfung. Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen. Beitragsverfahren. Verjährung. Hemmung. Verwirkung

 

Orientierungssatz

1. Mit der Einleitung der Betriebsprüfung bzw. durch Übersendung des Fragebogens zur Vorbearbeitung der Betriebsprüfung und das hierdurch eingeleitete Verwaltungsverfahren im Sinne von § 8 SGB 10 tritt gemäß § 198 Satz 2 SGB 4 eine Hemmung der Verjährung des Anspruchs auf Zahlung von Beiträgen ein.

2. Betriebsprüfungen haben unmittelbar im Interesse des Versicherungsträgers und mittelbar im Interesse der Versicherten den Zweck, die Beitragsentrichtung zu den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung zu sichern. Sie sollen verhindern, dass Beitragsausfälle eintreten und andererseits die Versicherungsträger in der Rentenversicherung davor bewahren, dass aus der Annahme von Beiträgen für nichtversicherungspflichtige Personen Leistungsansprüche entstehen. Eine über diese Kontrollfunktion hinausgehende Bedeutung kommt den Betriebsprüfungen hingegen nicht zu. Insbesondere bezwecken sie nicht, den Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen oder ihm Entlastung zu erteilen (vgl BSG vom 14.07.2004 - B 12 KR 1/04 R = BSGE 93, 119 = SozR 4-2400 § 22 Nr 2 und BSG vom 30.11.1978 - 12 RK 6/76 = BSGE 47, 194 = SozR 2200 § 1399 Nr 11).

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger für die Beigeladene zu 1 Beiträge zur Kranken-, Pflegeversicherung im Zeitraum 01.01.2002 bis 30.09.2006 in Höhe von 23.310,32 € zahlen muss.

Der Kläger betreibt eine Rechtsanwaltskanzlei. Mitarbeiterin ist die Beigeladene zu 1. Gemäß eines Schreibens der Kaufmännischen Krankenkasse schied die Beigeladene am 31.12.1989 aus der Pflichtversicherung aus (I 59). Gemäß zweier in der Akte eingehefteten Schreiben der AOK vom 27.11.1991 und 01.03.1993 habe die Abstimmung mit den Lohn- und Gehaltsunterlagen des Klägers keine Beanstandungen gegeben.

In der Kanzlei des Klägers fanden im Jahr 1997 zum Prüfzeitraum 01.01.1993 bis 31.12.1996, im Jahr 2001 zum Prüfzeitraum 01.01.1997 bis 31.01.1999 sowie im Jahr 2003 zum Prüfzeitraum 01.02.1999 bis 31.12.2002 Betriebsprüfungen statt, welche keine Beanstandungen ergaben. Diesbezüglich wird auf Bl. I 38 ff. der Verwaltungsakte Bezug genommen.

Im Oktober 2006 übersandte die Beklagte dem Kläger einen Erhebungsfragebogen zur Vorbereitung einer Vorlageprüfung. Darin bat sie den Kläger um Vorlage von Unterlagen für Beschäftigungsverhältnisse innerhalb des Prüfzeitraums vom 01.01.2003 bis 31.12.2006.

In der Zeit vom 16.11.2006 bis 29.03.2007 führte die Beklagte in den Räumen des Klägers eine Betriebsprüfung durch.

Die Beklagte hörte die Beigeladene zu 1 zu dem Ergebnis der Betriebsprüfung an, wonach sie keine Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung entrichtet habe. Die Beklagte forderte einen Nachweis über ihre selbständige Tätigkeit ab Januar 2003 an. Des Weiteren bat sie um Vorlage von Angaben zum zeitlichen Umfang und zum Einkommen der selbständigen Tätigkeit und erbat die Vorlage der Einkommensteuerbescheide ab 2003.

Darauf teilte die Beigelade zu 1 mit, einen Befreiungsbescheid nicht vorlegen zu können, da dieser nicht mehr auffindbar sei. Im Rahmen ihrer selbständigen Tätigkeit habe sie keine Arbeitnehmer beschäftigt. Zum 31.01.2004 habe sie ihr Gewerbe aus Altersgründen abgemeldet.

Mit Schreiben vom 09.02.2007 hörte die Beklagte den Kläger dazu an, dass sie beabsichtige, für die Zeit vom 01.01.2002 bis 30.09.2006 Nachforderungen zur Sozialversicherung in Höhe von insgesamt 23.317,52 € zu erheben. Die Betriebsprüfung habe ergeben, dass die versicherungsrechtliche Beurteilung der Beigeladenen zu 1 in der Kranken- und Pflegeversicherung unzutreffend sei. 2006 habe der Kläger für das Arbeitsentgelt der geringfügig Beschäftigten keine Umlage U1 gezahlt. Der Kläger habe im Prüfzeitraum die Beigeladene zu 1 als Sekretärin beschäftigt. Ihr Arbeitsentgelt habe ab Beginn des Prüfzeitraums jährlich unverändert 29.824,00 € betragen und damit unter der Jahresarbeitsentgeltgrenze der Krankenversicherung gelegen. Aufgrund eines bestehenden privaten Krankenversicherungsverhältnisses habe sie keine Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung entrichtet. Die Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung folge nach § 20 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) der Krankenversicherung zwingend und erstrecke sich auf alle Personen, welche Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung sind. Nachweise für eine selbständige Tätigkeit von der Beigeladenen zu 1 habe der Kläger trotz Auflage vom 16.11.2006, an dessen Vorlage er mit Schreiben vom 13.12.2006 erinnert worden sei, nicht vorgelegt. Nach § 5 Abs. 5 SGB V unterliege derjenige, welcher hauptberuflich selbständig erwerbstätig sei, nicht der Versicherungspflicht. Hauptberuflich sei eine selbständige Erwerbstätigkeit erst dann, wenn sie von der wirtschaftlichen Bedeutun...

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