Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht. mitarbeitender Gesellschafter. Prokurist/Betriebsleiter. sektorale Sperrminorität. abhängige Beschäftigung. Ersetzung eines (teil-)rechtswidrigen Elementenfeststellungsbescheides und Einführung in Klageverfahren. Kostenentscheidung
Orientierungssatz
1. Zur Frage der abhängigen Beschäftigung eines Prokuristen/Betriebsleiters mit 40 % Stammkapital-Anteil und "sektoraler Sperrminorität".
2. Zur Ersetzung eines (teil-) rechtswidrigen Elementenfeststellungsbescheides und Einführung in das Klageverfahren gemäß § 96 Abs 1 SGG sowie zur Kostenentscheidung in derartigen Fällen (vgl LSG Stuttgart vom 20.11.2009 - L 4 R 1540/08 und BSG vom 4.6.2009 - B 12 R 6/08 R und vom 11.3.2009 - B 12 R 11/07 R = BSGE 103, 17 = SozR 4-2400 § 7a Nr 2).
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger in der Zeit vom 01.03.2008 bis 31.12.2008 in einem Beschäftigungsverhältnis zur Beigeladenen zu 1) stand und in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung sozialversicherungspflichtig war.
Der am … 1953 geborene Kläger ist nach eigenen Angaben gelernter Steinmetz und Bildhauermeister und war vor der Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1) Inhaber eines Steinmetzbetriebes in Gestalt eines Einzelunternehmens.
Die Beigeladene zu 1) wurde mit notariellem Gesellschaftsvertrag vom 02.02.2008 als Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) gegründet und unter dem 15.04.2008 in das Handelsregister beim Amtsgericht … - Registergericht - (HRB …) eingetragen. Ihr Gegenstand ist nach § 2 des Gesellschaftsvertrags vom 02.02.2008 die “Führung eines Steinmetzbetriebes„. Das Stammkapital betrug 25.000 Euro. Hierauf übernahmen der zum einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführer bestellte und vom Verbot der Selbstkontraktion befreite Gesellschafter M. 15.000 Euro und der Kläger als weiterer Gesellschafter 10.000 Euro. Die Gesellschafter verpflichteten sich, ihre Stammeinlagen sofort in Höhe der Hälfte in bar und den Rest in bar auf Anforderung der Gesellschaft zu leisten (§ 3 Ziffer 1 des Gesellschaftsvertrages vom 02.02.2008 in Verbindung mit dem Nachtrag vom 01.04.2008). In § 4 des Gesellschaftsvertrages vom 02.02.2008 wurde das Kalenderjahr als Geschäftsjahr der Gesellschaft festgelegt, wobei das erste Geschäftsjahr mit der Eintragung der Gesellschaft beginnt und am 31.12.2008 endet. Nach § 5 Ziffer 1 des Gesellschaftsvertrages vom 02.02.2008 vertritt der Geschäftsführer im Falle der Einzelgeschäftsführung die Gesellschaft allein. Eine Änderung oder Ergänzung des Gesellschaftsvertrages bzw. die Auflösung der Gesellschaft kann nur einstimmig beschlossen werden, sonstige Gesellschafterbeschlüsse bedürfen der Stimmenmehrheit, wobei 50 Euro eines Geschäftsanteils eine Stimme gewähren (§ 6 Ziffer 2 des Gesellschaftsvertrages vom 02.02.2008). Mit formfreiem Beschluss der außerordentlichen Gesellschafterversammlung vom 18.02.2008, an der ausweislich der Niederschrift nur der Gesellschafter-Geschäftsführer M. teilnahm, erhielt der Kläger zum 01.03.2008 Einzelprokura und - unter Befreiung von der Wirkung des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) - die Berechtigung zur Einzelvertretung. Zugleich wurde ihm eine “Sperrminorität für alle technischen Entscheidungen der Firma„ eingeräumt. Wegen der diesbezüglichen weiteren Einzelheiten wird auf die Versammlungsniederschrift vom 18.02.2008 verwiesen (Blatt 7 der SG-Akte).
Am 18.02.2008 schlossen die Beigeladene zu 1), vertreten durch “die Gesellschafterversammlung, nämlich Herrn M.„, und der Kläger einen “Anstellungsvertrag für Betriebsleiter„. Darin wurde der Kläger mit Wirkung zum 01.03.2008 zum Betriebsleiter der Gesellschaft bestellt. Der Vertrag enthält auszugsweise folgende Bestimmungen:
Ҥ 1
(…)
(2) Der Betriebsleiter ist berechtigt und verpflichtet, die Gesellschaft nach Maßgabe der Gesetze, des Gesellschaftsvertrages und einer etwaigen Geschäftsführungsordnung allein zu vertreten und die Geschäfte der Gesellschaft allein zu führen. (…) Ihm obliegt der Aufbau des Unternehmens, die Kontaktpflege mit den Kunden und die Abwicklung sämtlicher Aufträge etc. Die gesamte fachliche und kaufmännische Leitung des Unternehmens liegt alleinverantwortlich in den Händen von Herrn St. Die Festsetzung seiner Arbeitszeit incl. Urlaub und die Wahrnehmung unternehmerischer Aufgaben obliegen Herrn St. in freier Verantwortung, jedoch unter Berücksichtigung der Firmenbelange. Er ist nicht gebunden an Zeit, Ort und Art der Beschäftigung.
(…)
(4) Entscheidungen bzw. Gesellschafterbeschlüsse, welche den gesamten Geschäftsbereich der Firma betreffen werden mit dem Betriebsleiter abgestimmt und bedürfen seiner ausdrücklichen Zustimmung.
(…)
§ 2
(1) Der Betriebsleiter stellt seine Arbeitskraft und seine Kenntnisse und Erfahrungen der Gesellschaft zur Verfügung. Ihm obliegen Leitung und Überwachung des Gesamtunternehme...