Entscheidungsstichwort (Thema)

Sonderkündigungsrecht. Beitragserhöhung im Zuge einer Fusion von Krankenkassen

 

Leitsatz (amtlich)

Wird im Zuge einer Fusion zweier Betriebskrankenkassen der Beitragssatz erhöht, steht den Versicherten nach § 175 Abs 4 S 5 SGB 5 ein Sonderkündigungsrecht zu.

 

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 05.09.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.10.2003 wird aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die Kündigung der Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung bei der Beklagten rechtmäßig erfolgte zum 31.10.2003.

2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger unverzüglich eine Kündigungsbestätigung auszustellen.

3. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Kündigung der Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung.

Der Kläger war seit dem 01.02.2003 freiwilliges Mitglied der BKK G. bei einem allgemeinen Beitragssatz von 12,3 %. Am 25. Juni 2003 beschlossen die Verwaltungsräte der BKK G. und der BKK Z. die Vereinigung dieser beiden Kassen zum 01.08.2003 zur BKK GS. Im Rahmen dieser Fusion wurde ein allgemeiner Beitragssatz von 12,9 % ermittelt und durch das Bundesversicherungsamt genehmigt.

Diese Beitragssatzerhöhung teilte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid aus dem Juli 2003 mit.

Mit Schreiben vom 20.08.2003 sprach der Kläger daraufhin die Kündigung der Mitgliedschaft zum 31.10.2003 aus wegen der Beitragserhöhung zum 01.08.2003.

Mit Bescheid vom 05.09.2003 lehnte die Beklagte die Bestätigung der Kündigung mit dem Hinweis ab, im Fall einer Fusion stehe den Versicherten kein Sonderkündigungsrecht zu, da die bisherigen Krankenkassen mit dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Fusion geschlossen seien und die bisherigen Beitragssätze deshalb aus Anlass der Fusion weder erhöht noch abgesenkt würden, sondern vielmehr mit der Schließung außer Kraft träten. Eine Erhöhung der Beitragssätze liege somit nicht vor.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein mit der Begründung, in § 144 Abs. 4 Satz 2 SGB V sei ausdrücklich geregelt, dass die neue Krankenkasse in die Rechte und Pflichten der bisherigen Krankenkasse eintrete. Ihm stünde somit ein Sonderkündigungsrecht nach § 175 Abs. 4 Satz 5 SGB V zu.

Am 10.09.2003 hat der Kläger vor dem SG Detmold Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Der Rechtsstreit ist mit Beschluss vom 29.09.2003 zum SG Stuttgart verwiesen worden (S 4 KR 5305/03 ER). Nachdem die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 23.10.2003 mit der bereits zuvor abgegebenen Begründung zurückgewiesen hatte, hat der Kläger am 27.10.2003 Klage erhoben mit der Begründung, § 144 Abs. 4 Satz 2 SGB V werde völlig außer Acht gelassen, wonach die neue Krankenkasse als Rechtsnachfolgerin den Mitgliedern gegenüber an die Rechte und Pflichten ihrer Rechtsvorgängerin gebunden sei. Diese Bindung schließe die Anrechnung zurückgelegter Mitgliedschaftszeiten ebenso ein wie das Sonderkündigungsrecht bei einer Beitragserhöhung. Es sei weder im Sinne des Gesetzes noch entspreche es seinem Wortlaut, Versichertenrechte durch Fusionen außer Kraft zu setzen. Sinn und Zweck der Wahlfreiheit und des Sonderkündigungsrechts sei eine Öffnung des Marktes der gesetzlichen Krankenkassen für den Wettbewerb. Die fragliche Unterbindung des Wechsels zu einem Wettbewerber sei mit dem Willen des Gesetzgebers nicht vereinbar.

Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst),

1. den Bescheid der Beklagten vom 05.09.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.10.2003 aufzuheben und festzustellen, dass die Kündigung der Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung bei der Beklagten zum 31.10.2003 rechtmäßig ist,

2. die Beklagte zur unverzüglichen Ausstellung einer Kündigungsbestätigung zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat im Wesentlichen auf ihre bereits im Widerspruchsverfahren abgegebene Begründung Bezug genommen. Die bisherigen Beitragssätze seien nicht erhöht, sondern es sei ein neuer Beitragssatz festgesetzt worden. Am 31. Juli 2003 habe kein Sonderkündigungsrecht bestanden, das auf die neue Kasse hätte übergehen können.

Mit Schreiben vom 27.10.2003 haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Akten des Gerichts, auch aus dem Verfahren zum einstweiligen Rechtsschutz, Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Das Gericht konnte den vorliegenden Rechtsstreit nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten ihr Einverständnis erklärt haben.

Die Klage ist zulässig und begründet, da dem Kläger ein Sonderkündigungsrecht nach § 175 Abs. 4 Sozialgesetzbuch - Fünftes Buch - (SGB V) zusteht.

Gemäß § 175 Abs. 4 SGB V sind u. a. Versicherungsberechtigte an die Wahl der Krankenkasse mindestens 18 Monate gebunden, wenn sie das Wahlrecht ab dem 1. Januar 2002 ausüben. Eine Kündigung der Mitgliedschaft ist zum Ablauf des...

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