Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragspsychotherapeutische Versorgung. Regelungen über Zulassungsbeschränkungen sind verfassungsgemäß. Beurteilungsspielraum der Zulassungsgremien bei lokalen und besonderen Versorgungsbedarf. gerichtliche Überprüfung. Nichtanwendung der Vorschriften über besonderen Versorgungsbedarf auf Psychologische-, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten

 

Orientierungssatz

1. Die Regelungen über die vertragsärztlichen Zulassungsbeschränkungen bei Überversorgung, die für die Psychotherapeuten entsprechend gelten (§ 72 Abs 1 S 2 SGB 5, § 1 Abs 3 Ärzte-ZV), sind mit Art 3 Abs 1 und 12 Abs 1 GG vereinbar (vgl ua BVerfG vom 27.4.2001 - 1 BvR 1282/99 = MedR 2001, 639).

2. Grundsätzlich steht den Zulassungsgremien bei der Beantwortung der Frage, ob ein (lokaler oder besonderer) Versorgungsbedarf iS von § 101 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB 5 iVm Nr 24 S 1 ÄBedarfsplRL vorliegt, der die Besetzung eines zusätzlichen Vertragsarztsitzes zur Wahrung der Qualität der vertragsärztlichen Versorgung in dem betroffenen Versorgungsbereich unerlässlich macht, ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob der Verwaltungsentscheidung ein richtig und vollständig ermittelter Sachverhalt zu Grunde liegt, ob die durch Auslegung des Begriffs "Versorgungsbedarf" zu ermittelnden Grenzen eingehalten und ob die Subsumtionserwägungen so hinreichend in der Begründung der Entscheidung verdeutlicht wurden, dass im Rahmen des Möglichen die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist (stRspr, vgl ua BSG vom 20.12.1995 - 6 RKa 55/94 = BSGE 77, 188 = SozR 3-2500 § 75 Nr 7).

3. Bei der Auslegung des Begriffs "lokaler Versorgungsbedarf" ist es nicht zulässig, allein auf das Angebot von Psychotherapie als solche im betroffenen Planungsbereich abzustellen. Maßgebend ist vielmehr die jeweils konkrete Versorgungslage (vgl BSG vom 28.6.2000 - B 6 KA 35/99 R = BSGE 86, 242 = SozR 3-2500 § 101 Nr 5).

4. Die Regelung der Nr 24 S 1 Buchst b ÄBedarfsplRL knüpft nach seinem Wortlaut an die Weiterbildungsordnung (WBO) an. Weiterbildungsordnungen gibt es nur für Ärzte, nicht aber für Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten. Auch eine analoge Anwendung kommt nicht in Betracht.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob der Kläger als psychologischer Psychotherapeut in S., Kreis S. H. (S.H.), zur vertragsärztlichen Versorgung aufgrund eines Sonderbedarfs zuzulassen ist.

Der 1965 geborene Kläger erhielt nach erfolgreichem Abschluss seines Psychologiestudiums den akademischen Grad eines Diplom-Psychologen zuerkannt (Urkunde der Fakultät für Sozial- und Verhaltenswissenschaften der Universität Tübingen vom 09.01.1997). Seit dem 01.10.1996 ist er als Diplom-Psychologe im P. Z. des O. S. beschäftigt. Von Januar 1996 bis Dezember 2000 nahm der Kläger an einer verhaltenstherapeutischen Weiterbildung am S. Z. für Verhaltenstherapie e. V. teil, das ihm die Befähigung zur selbstständigen Tätigkeit als Verhaltenstherapeut mit Erwachsenen, Kindern und Jugendlichen bescheinigte (Ausbildungszertifikat vom 23.05.2002). Das Regierungspräsidium Stuttgart erteilte dem Kläger am 27.05.2002 die Approbation als psychologischer Psychotherapeut. Seit dem 15.07.2002 ist der Kläger im Arztregister der Beigeladenen Ziffer 1 eingetragen.

Am 17.07.2002 stellte der Kläger den Antrag, ihn zum 01.01.2003 als psychologischen Psychotherapeuten sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten im Richtlinienverfahren Verhaltenstherapie mit Sitz in Satteldorf auf der Basis eines Sonderbedarfs zur Sicherstellung im Raum Crailsheim zur vertragsärztlichen Versorgung zuzulassen. Er beabsichtige die Ausübung seiner Tätigkeit in Praxisgemeinschaft mit der “Medizinischen Kooperationspraxis" des Arztes für Kinderheilkunde Dr. D. Dieser habe ihm berichtet, die Mehrzahl der von ihm betreuten Kinder und Jugendlichen bleibe hinsichtlich des Bedarfs an Psychotherapie unversorgt, da in der Region insoweit ein Notstand herrsche. Aufgrund seiner Berufserfahrung und Qualifikation halte er sich für eine Zusammenarbeit mit Dr. D. im Sinne des Bedarfs für Psychotherapie geeignet. Seine Vorstellung sei, im Sinne einer sozialpädiatrischen Versorgung mit den anderen Fachgruppen der medizinischen Kooperationsgemeinschaft zusammenzuarbeiten. Für ihn ergäben sich dabei 3 Arbeitsbereiche:

1. Psychotherapie mit Kindern und Jugendlichen, z. B. bei Angststörungen, Störungen des Sozialverhaltens sowie Anpassungs- und Essstörungen.

2. Unterstützung des Kinderarztes bei der psychologischen Diagnostik bei Entwicklungs- und Verhaltensstörungen.

3. Psychotherapeutische Unterstützung von psychisch erkrankten Eltern, deren Kinder in der Kooperationsgemeinschaft betreut würden.

Der Schwerpunkt seiner Arbeit läge in der Psychotherapie mit Kindern und Jugendlichen.

Nach Anhörung der im Planungsbereich S. H. niedergelassenen psychologischen Psychotherapeuten und Kinder-...

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