Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragspsychotherapeutische Versorgung. Regelungen über Zulassungsbeschränkungen bei Überversorgung sind verfassungsgemäß. Beurteilungsspielraum des Berufungsausschusses für Ärzte. Sonderbedarfszulassung. lokaler Versorgungsbedarf. lokales Versorgungsdefizit. Verhaltenstherapie

 

Orientierungssatz

1. Die Regelungen über die vertragsärztlichen Zulassungsbeschränkungen bei Überversorgung, die für die Psychotherapeuten entsprechend gelten, sind mit Art 3 Abs 1 und Art 12 Abs 1 GG vereinbar (vgl BVerfG vom 27.04.2001 - 1 BvR 1282/99 = MedR 2001, 639).

2. Dem Berufungsausschuss für Ärzte steht bei der Beantwortung der Frage, ob ein (lokaler oder besonderer) Versorgungsbedarf iS von § 101 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB 5 iVm Nr 24 S 1 ÄBedarfsplRL vorliegt, der die Besetzung eines zusätzlichen Vertragsarztsitzes zur Wahrung der Qualität der vertragsärztlichen Versorgung in dem betroffenen Versorgungsbereich unerlässlich macht, grundsätzlich ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Dieser gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbare Beurteilungsspielraum steht ihm allerdings nur hinsichtlich der Einschätzung des (lokalen oder besonderen) Versorgungsbedarfs zu, nicht aber bezüglich des Vorliegens der (sonstigen) Anspruchsvoraussetzungen nach den Ausnahmeregelungen der Nr 24 ÄBedarfsplRL (vgl LSG Stuttgart vom 13.11.2002 - L 5 KA 1247/02).

3. Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Zulassung im Rahmen eines Sonderbedarfs in einem großräumigen Landkreis nach Nr 24 S 1 Buchst a ÄBedarfsplRL sind nicht erfüllt, wenn die weitere Voraussetzung des nachweisbaren lokalen Versorgungsbedarfs nicht gegeben ist.

4. Ein ungedeckter lokaler Versorgungsbedarf kann sich nur aus einer unzureichenden Verteilung der an sich quantitativ ausreichend vorhandenen Vertragsarztsitze ergeben.

5. Ein lokales Versorgungsdefizit kann nicht damit begründet werden, es gäbe zwar ausreichend Psychotherapeuten, aber nicht genügend Verhaltenspsychotherapeuten.

6. Die Verhaltenstherapie ist weder als Schwerpunkt, noch als fakultative Weiterbildung und auch nicht als besondere Fachkunde anzusehen. Vielmehr ist es ein Richtlinienverfahren, das den Zugang zum Beruf des Psychologischen Psychotherapeuten ermöglicht.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob der Kläger aufgrund eines Sonderbedarfs als Psychologischer Psychotherapeut in S. im Kreis Sch. zur vertragsärztlichen Versorgung zuzulassen ist.

Der 1965 geborene Kläger hat das Psychologiestudium abgeschlossen und ist seit dem 09.01.1997 berechtigt, den akademischen Grad eines Diplom-Psychologen zu führen. Seit dem 01.10.1996 ist er als Diplom-Psychologe im Pädiatrischen Zentrum des O.hospitals S. beschäftigt. Von Januar 1996 bis Dezember 2000 nahm der Kläger an einer fünfjährigen verhaltenstherapeutischen Weiterbildung am S. Zentrum für Verhaltenstherapie e.V. teil, das ihm mit Ausbildungszertifikat vom 23.05.2002 die Befähigung zur selbstständigen Tätigkeit als Verhaltenstherapeut mit Erwachsenen, Kindern und Jugendlichen bescheinigte. Das Regierungspräsidium Stuttgart erteilte dem Kläger am 27.05.2002 die Approbation als psychologischer Psychotherapeut. Seit dem 15.07.2002 ist der Kläger im Arztregister der Kassenärztlichen Vereinigung Nord-Württemberg, der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 1), eingetragen.

Am 17.07.2002 stellte der Kläger den Antrag, ihn in seiner Eigenschaft als Diplom-Psychologe zum 01.01.2003 als psychologischen Psychotherapeuten sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten im Richtlinienverfahren Verhaltenstherapie mit Sitz in S. zur vertragsärztlichen Versorgung zuzulassen. Dies solle auf der Basis eines Sonderbedarfs im Raum C. geschehen. Er beabsichtige die Ausübung seiner Tätigkeit in Praxisgemeinschaft mit der “Medizinischen Kooperationspraxis G." des Arztes für Kinderheilkunde und Jugendmedizin Dr. D. Dieser habe ihm berichtet, die Mehrzahl der von ihm betreuten Kinder und Jugendlichen bleibe hinsichtlich des Bedarfs an Psychotherapie unversorgt, da in der Region insoweit ein Notstand herrsche. Aufgrund seiner Berufserfahrung und Qualifikation halte er sich für eine Zusammenarbeit mit Dr. D. im Sinne des Bedarfs für Psychotherapie geeignet. Seine Vorstellung sei, im Sinne einer sozialpädiatrischen Versorgung mit den anderen Fachgruppen der medizinischen Kooperationsgemeinschaft zusammenzuarbeiten. Für ihn ergäben sich dabei drei Arbeitsbereiche: Die Psychotherapie mit Kindern und Jugendlichen, z. B. bei Angststörungen, Störungen des Sozialverhaltens sowie Anpassungs- und Essstörungen, die Unterstützung des Kinderarztes bei der psychologischen Diagnostik bei Entwicklungs- und Verhaltensstörungen und die psychotherapeutische Unterstützung von psychisch erkrankten Eltern, deren Kinder in der Kooperationsgemeinschaft betreut würden. Der Schwerpunkt seiner Arbeit werde in der Psychotherapie mit Kindern und Jugendlichen liegen.

Nach Anhörung der im Planungsbereich Sch. niedergelassenen psychologischen Psychotherape...

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