Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankengeld. Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeit. Bindung an die Muster der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie. Zulässigkeit einer rückwirkenden ärztlichen Feststellung. Meldung betrifft nicht die spätere Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Der Vertragsarzt ist bei der Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeit gem § 31 BMV-Ä an die Vorgaben der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie (juris: AURL) und die dort vorgesehene Verwendung der Muster gebunden.
2. In dem nach Ende der Entgeltfortzahlung zu verwendenden Muster "Krankengeldauszahlschein" kann auch rückwirkend die ärztliche Feststellung von Arbeitsunfähigkeit erfolgen.
3. Die in § 49 Abs 1 Nr 5 SGB 5 geforderte Meldung der Arbeitsunfähigkeit betrifft nur den Beginn der Arbeitsunfähigkeit, nicht jedoch die spätere Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit.
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 16.1.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.3.2013 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Krankengeld für die Zeiträume vom 12.11.2012 bis 15.11.2012 und vom 25.11.2012 bis 6.12.2012 zu gewähren.
3. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Krankengeld.
Die am … 1959 geborene Klägerin ist seit 1997 als Verkäuferin in Teilzeit beschäftigt. Sie ist bei der Beklagten krankenversichert. Ab dem 1.10.2012 bescheinigte der Facharzt für Chirurgie Dr. S. aus H. bei der Klägerin Arbeitsunfähigkeit mit der Diagnose D21.2 GR „gutartige Neubildungen des Bindegewebes und anderer Weichteilgewebe an unteren Extremitäten“. Bei der Klägerin war die Resektion eines Granuloms an der rechten Ferse erfolgt. Bis zum 10.11.2012 wurde die Arbeitsunfähigkeit auf den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nach Muster Nr 1 dokumentiert. Die Bescheinigung vom 31.10.2012 bescheinigte Arbeitsunfähigkeit bis zum 10.11.2012. Am 15.11.2012 wurde eine Folgebescheinigung ausgestellt, in der Arbeitsunfähigkeit bis zum 24.11.2012 bescheinigt wurde. Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber erfolgt bis zum 11.11.2012. Ende November 2012 übersandte die Beklagte der Klägerin daraufhin einen Krankengeldauszahlungsschein. Dieser Auszahlungsschein enthielt unten folgende Hinweise:
„Wichtig: die Krankengeldauszahlung erfolgt bis zur Angabe der voraussichtlichen Arbeitsunfähigkeit, die vom behandelnden Arzt zu bescheinigen ist.
Bitte reichen Sie den Auszahlungsschein spätestens am 20. des Monats zur Zahlung in der oben angegebenen Dienststelle ein. Bei gewünschten Teilzahlungen ist der Auszahlungsschein immer vorzulegen.
Für die Krankengeldauszahlung ist eine regelmäßige und lückenlose Feststellung der Arbeitsunfähigkeit von ihrem behandelnden Arzt erforderlich.
Eine Verlängerung der Arbeitsunfähigkeit ist spätestens am letzten Tag der bisher bescheinigten Arbeitsunfähigkeit ärztlich festzustellen.
Sollte Ihr Arbeitsverhältnis während der Arbeitsunfähigkeit enden, teilen Sie uns dies bitte umgehend mit und melden sich persönlich und unverzüglich bei ihrer zuständigen Agentur für Arbeit.“
Auf dem Auszahlungsschein sind angegeben als Datum der Vorstellung beim Arzt der 6.12.2012, Arbeitsunfähigkeit wird bejaht bis zum 9.12.2012, sowie der 14.12.2012, an dem die Frage nach Arbeitsunfähigkeit verneint wird. Angegeben wird das Ende der Arbeitsunfähigkeit mit dem 9.12.2012. Ausweislich der Behandlungsunterlagen des Arztes fanden Behandlungstermine der Klägerin unter anderem statt am 31.10.2012, 5.11.2012, 8.11.2012, 12.11.2012, 15.11.2012, 20.11.2012, 23.11.2012, 4.12.2012, 6.12.2012 und 14.12.2012. Mit dem am 17.12.2012 bei der Beklagten eingegangenen Antrag auf Zahlung von Krankengeld begehrte die Klägerin die Zahlung von Krankengeld ab dem 12.11.2012. Sie legte dabei auch den Krankengeldauszahlungsschein vor.
Auf einem dem behandelnden Arzt zugesandten Vordruck, der diesem offenbar Ende November 2012 zugesandt wurde, bescheinigte Dr. S. am 4.12.2012 durchgehende Arbeitsunfähigkeit voraussichtlich bis zum 10.12.2012.
Die Beklagte bewilligte Krankengeld für die Zeiträume vom 16.11.2012 bis 24.11.2012 und vom 7.12.2012 bis zum 9.12.2012 in Höhe von 32,94 Euro täglich, für die Zeiträume vom 12.11.2012 bis 15.11.2012 und vom 25.11.2012 bis 6.12.2012 lehnte sie die Zahlung von Krankengeld mit Bescheid vom 16.1.2013 mit der Begründung ab, Arbeitsunfähigkeit sei nicht durchgehend ärztlich bescheinigt worden.
Die Klägerin legte Widerspruch ein und trug zur Begründung vor, sie sei durchgehend arbeitsunfähig gewesen. Dr. S. bestätigte in einer Bescheinigung vom 24.1.2013 die durchgehende Arbeitsunfähigkeit bis zum 9.12.2012.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11.3.2013 wurde der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen. Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus, das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit sei durch lückenlose Nachweise zu erbringen. Im Fall der Klägerin habe ein Anspruch auf Krankengeld aufgrund der ab 1.10.2012 bestehenden Arbeitsunfähigkeit vom 16.11.20...