Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Erstattung von Kosten im Vorverfahren. Rechtsanwaltsvergütung. mehrere Auftraggeber. keine Notwendigkeit anwaltlicher Vertretung bei offensichtlicher Parallelität der Fallgestaltungen. SGB 2-Bedarfsgemeinschaft
Leitsatz (amtlich)
Höhere Gebühren nach Nr 1008 VV RVG können auch bei einer Mehrheit von Auftraggebern nicht verlangt werden, wenn schon angesichts der Parallelität der Fallgestaltungen eine Vertretung aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft gar nicht notwendig iS des § 63 SGB 10 ist (Anlehnung an Grundsätze von BVerfG vom 8.2.2012 - 1 BvR 1120/11, 1 BvR 1121/11 = NZS 2012, 422).
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand
Mit der am 09.09.2014 beim Sozialgericht Trier erhobenen Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 28.07.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.08.2014 begehren die Kläger die Erstattung von Kosten des Widerspruchsverfahrens in Höhe der Differenz zwischen geforderten 595,- € zu den bereits erstatteten 380,80 € (= 214,20 €). Streitig ist dabei die Gewährung der um 0,6 erhöhten Gebühr nach Nr. 1008 VV RVG aufgrund der Vertretung von 3 Auftraggebern.
In dem unter dem Aktenzeichen W 125/14 geführten Widerspruchsverfahren machten alle drei anwaltlich vertretenen Kläger geltend, dass von dem Erwerbseinkommen des Klägers zu 1) ein weiterer Freibetrag in Höhe von 450,00 € nach § 11b Abs. 1 Nr. 7 SGB 2 (Aufwendungen zur Erfüllung gesetzlicher Unterhaltspflichten) zu gewähren sei.
Der Beklagte half dem Widerspruch mit Abhilfebescheid vom 08.07.2014 in vollem Umfang ab und zahlte den Freibetrag in Höhe von 450,00 € an die Kläger aus, was aufgrund der horizontalen Berechnungsmethode zu höheren Leistungen aller drei Kläger führte. Die im Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten würden auf Antrag erstattet, soweit sie notwendig gewesen seien und nachgewiesen würden.
Mit Schreiben vom 09.07.2014 wurde der Beklagte aufgefordert, die Kläger von dem anwaltlichen Gebührenanspruch aus der Kostenrechnung 0121.14 vom 09.07.2014 wie folgt freizustellen:
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Geschäftsgebühr Nr 2302 VV RVG i.Vm. Nr. 1008 VV RVG |
3 Auftraggeber |
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480,00 EUR |
Pauschale für Post und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG |
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20.00 EUR |
Zwischensumme netto |
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500,00 EUR |
19 % Umsatzsteuer Nr 7008 VV RVG |
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95,00 EUR |
Gesamtbetrag |
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595.00 EUR |
Der Beklagte setzte demgegenüber mit den angefochtenen Bescheiden lediglich fest:
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Rahmengebühr gem. § 14 RVG, VV RVG Nr. 2302 |
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300,00 EUR |
Pauschale für Post und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG |
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20.00 EUR |
Zwischensumme netto |
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320,00 EUR |
19 % Umsatzsteuer Nr 7008 VV RVG |
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60,80 EUR |
Gesamtbetrag |
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380.80 EUR |
Zur Begründung führte der Beklagte aus, die horizontale Berechnungsmethode wirke sich quasi reflexartig auf die Leistungshöhe der übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft aus. Dies könne jedoch nicht zu einer Erhöhung der Rechtsanwaltsgebühren unter Berücksichtigung der Gebühr Nr. 1008 VV RVG für mehrere Auftraggeber führen.
Die Kläger machen geltend, seit der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 07.11.2006, B 7b AS 8/06 R, entspreche es ständiger Rechtsprechung, dass es rechtlich nicht möglich sei, dass einzelne Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft die Ansprüche aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft durchsetzen. Erforderlich sei, dass jedes einzelne Mitglied seine individuellen Ansprüche selbst geltend mache. Einen Leistungsanspruch der Bedarfsgemeinschaft als Gesamtheit aller Personen habe das Bundessozialgericht ausdrücklich verneint.
Aufgrund dieser rechtlichen und verfahrensrechtlichen Vorgaben hätten die Kläger den höheren Leistungsanspruch unter Beachtung der horizontalen Berechnungsmethode im Widerspruchsverfahren W125/14 jeweils in eigenem Namen geltend machen müssen.
In der Entscheidung vom 21.12.2009, B 14 AS 83/08 R, habe das Bundessozialgericht schließlich klargestellt, dass die Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG für mehrere Auftraggeber immer dann zu erstatten sei, wenn der Bevollmächtigte mehrere Auftraggeber vertreten habe. Auf einen konkret zu bemessenden Mehraufwand komme es nicht an, da sich der Gesetzgeber mit Schaffung der Regelung im RVG zu einer pauschalen Abgeltung des Mehraufwands entschieden habe.
Die Kläger beantragen,
unter Abänderung des Kostenfestsetzungsbescheides vom 28.07.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.08.2014 wird der Beklagte verpflichtet, die zu erstattenden Kosten des Widerspruchsverfahrens W 125/14 auf 595,00 € festzusetzen,
hilfsweise die Berufung zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er bezieht sich hierzu auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden.
Zur Ergänzung des Tatbestands im Einzelnen wird auf die Prozessakte sowie die Beklagtenakten Bezug genommen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§§ 90, 87 SGG) erhoben, hat aber in der Sache k...