Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhaus. (Teil-)Kündigung eines Versorgungsvertrags. Anforderungen für den Nachweis der fehlenden Bedarfsgerechtigkeit

 

Orientierungssatz

Zu den Anforderungen für den Nachweis der fehlenden Bedarfsgerechtigkeit iSd § 110 Abs 1 S 1 SGB 5 iVm § 109 Abs 3 S 1 Nr 3 SGB 5 (hier: Teilkündigung des Versorgungsvertrags eines Krankenhauses für das Fachgebiet Chirurgie - Teilgebiet Gefäßchirurgie).

 

Tenor

Der Bescheid vom 17.02.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2016 wird aufgehoben.

Die Beklagten tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

 

Tatbestand

Streitgegenstand ist die Teilkündigung des Versorgungsvertrages, der zwischen der Klägerin und den Landesverbänden der Krankenkassen und des Verbandes der Ersatzkassen, den Beklagten, geschlossen wurde.

Die Klägerin betreibt eine gewerbliche Klinik im A., die auf Gefäßchirurgie spezialisiert ist.

Am 17.11.1992 erteilte das Landratsamt A. eine Erlaubnis gemäß § 30 Gewerbeordnung zum Betrieb eines Privatkrankenhauses mit 39 Betten.

Ein Antrag der Klägerin auf Aufnahme in den Krankenhausplan des Landes Baden-Württemberg wurde vom Landeskrankenhausausschuss in der Sitzung vom 15.12.1992 abgelehnt. Allerdings wurde der Abschluss eines Versorgungsvertrages, sofern die Kostenträger einen überörtlichen Bedarf erkennen, für möglich angesehen.

Am 26.05.1993 schloss die Klägerin mit dem AOK Landesverband Baden-Württemberg, dem Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V. und AEV-Arbeiter-Ersatzkassenverband e.V., dem BKK Landesverband Baden-Württemberg, dem IKK Landesverband Baden-Württemberg, der Landwirtschaftlichen Krankenkasse Württemberg, der Krankenkasse für den Gartenbau und der Bundesknappschaft einen Versorgungsvertrag nach § 109 Abs. 1 SGB V über 20 Betten für das Fachgebiet Chirurgie (Teilgebiet Gefäßchirurgie). In der Anlage zum Versorgungsvertrag sind als Indikationen der zu behandelnde Erkrankungen des 1. Venensystems, 2. Arteriensystems, 3. der Lymphgefäße, 4. Enddarm/ After genannt. Das Krankenhaus wurde gemäß § 108 Nr. 3 SGB V zur Erbringung von Krankenhausbehandlung im Rahmen des Versorgungsvertrages gemäß § 39 SGB V zugelassen. Unter § 6 des Vertrages wurde geregelt, dass der Vertrag zum dem 01.05.1993 in Kraft tritt und für die Kündigung des Vertrages § 110 SGB V gilt.

Mit Schreiben vom 09.12.1993 an die Landesverbände der Krankenkassen und der Verband der Ersatzkassen teilte das Ministerium für Arbeit-, Gesundheit und Sozialordnung Baden Württemberg mit, der Abschluss des Versorgungsvertrages nach § 109 Abs. 1 SGB V mit der Gefäßklinik Dr. Berg GmbH werde genehmigt.

Im Jahr 2003 widmete die Klägerin 12 der 39 Betten in eine Hautklinik um. Ein Antrag auf Aufnahme in den Krankenhausplan oder ein Antrag auf Abschluss eines Versorgungsvertrages wurde insoweit nicht gestellt.

Mit Schreiben vom 29.10.2012 und weiteren Erinnerungsscheiben und letztmals mit Schreiben vom 28.05.2014 forderten die Beklagten die Klägerin auf, Belegungsdaten (Pflegetage, Fallzahlen) der Jahre 2011, 2012 und 2013, gegliedert nach den Kostenträgern vorzulegen, damit eine Überprüfung der Bedarfsgerechtigkeit im Hinblick auf eine mögliche Kündigung geprüft werden könne.

Am 19.09.2014 erfolgte eine Anhörung im Rahmen eines Gesprächs mit den Geschäftsführern der Klägerin zu der von den Beklagten beabsichtigten Bettenreduzierung.

Die Klägerin legte sodann am 24.09.2014 eine Kostenträgerübersicht und am 16.10.2014 ein sogenanntes Konzeptpapier zur weiteren Entwicklung der Klägerin, worin Ausführungen ua zum Wandel der Behandlungsmethoden und der Versorgungssituation sowie der Zukunftsperspektive gemacht wurden, vor. Es wurde ua ausgeführt, das Patientengut bestehe inzwischen vermehrt aus älteren, multimorbiden Patienten und zudem würden viel häufiger Rezidivoperationen durchgeführt. Viele Krankenhäuser würden inzwischen keine stationären Veneneingriffe mehr durchführen, so dass bei einer Bettenkündigung eine Unterversorgung der Region drohe, da die anderen Kliniken die überregional Spezialklinik der Klägerin nicht ersetzen könnten. Es sei beabsichtigt durch Kooperationen mit umliegenden Praxen und Zulassung neuer Belegärzte die Auslastung zu erhöhen.

Mit Schreiben vom 17.02.2015 erklärten die Beklagten gemeinsam gegenüber der Klägerin die Teilkündigung des Versorgungsvertrages gemäß § 110 Abs. 1 Satz 1 SGB V in einem Umfang von 10 Betten mit einer Frist von einem Jahr zum 31.03.2016. Die Kündigung wurde von der AOK Baden-Württemberg, dem Verband der Ersatzkasse e.V. (vdek) Landesvertretung Baden-Württemberg, dem BKK Landesverband Süd, der IKK classic, der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau und der Knappschaft, Regionaldirektion München, ausgesprochen.

In der Begründung wird ausgeführt, die 20 Betten des mit der Klägerin abgeschlossenen Versorgungsvertrages seien inzwischen für eine bedarfsgerechte Krankenhausbehandlung...

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