Leitsatz (amtlich)
1. Bescheide über die vorläufige Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 41a Abs. 1 SGB II dürfen zu Ungunsten der leistungsberechtigten Person mit Wirkung für die Vergangenheit nicht zurückgenommen oder aufgehoben werden. Weder § 45 SGB X noch § 48 SGB X sind insoweit anwendbar.
2. § 67 Abs. 4 S. 2 SGB II eröffnet den Jobcenter nicht die Möglichkeit dazu, Bescheide über die vorläufige Gewährung von Leistungen zu Ungunsten der leistungsberechtigten Person zurückzunehmen oder aufzuheben.
Tenor
Die Bescheide vom 17.11.2020 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 12.03.2021 werden aufgehoben.
Der Beklagte erstattet den Klägern ihre außergerichtlichen Kosten.
Die Berufung des Beklagten wird zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger stehen bei dem Beklagten seit längerem gemeinsam im Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) und wenden sich vorliegend gegen die Erstattung von Leistungen für den Monat September 2020.
Die Klägerin zu 1. ging im streitigen Zeitraum einer Beschäftigung als Reinigungskraft bei der D. mbH mit schwankendem monatlichem Einkommen nach. Zugleich stand sie in einem Beschäftigungsverhältnis bei der M. UG (Bl. 73 der Verwaltungsakte).
Am 09.12.2019 beantragten die Kläger - wobei die Kläger zu 1. und 2. als türkische Staatsangehörige über eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis verfügen - bei dem Beklagten Leistungen, wobei sie Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) von monatlich 783,00 € geltend machten (Bl. 48 der Verwaltungsakte). Nachdem der Beklagte mit Bescheide vom 19.12.2019 (Bl. 57 der Verwaltungsakte) vorläufig Leistungen für den Zeitraum Dezember 2019 bis Mai 2020 gewährte, gewährte er den Klägern mit Bescheid vom 17.05.2020 (Bl. 115 der Verwaltungsakte) vorläufig Leistungen für den Zeitraum für Juni bis November 2020 ohne Weiterbewilligungsantrag nach § 67 Abs. 5 S. 1 SGB II in der bis zum 28.05.2020 gültigen Fassung. Für September 2020 gewährte der Beklagte den Kläger insgesamt 1.145,60 € (Kläger zu 1. und 2. jeweils 448,80 € und der Klägerin zu 3. insgesamt 248,00 €). Dabei erkannte der Beklagte ab Juli 2020 KdUH von 744,00 € an.
Mit Änderungsbescheid vom 25.06.2020 (Bl. 127 der Verwaltungsakte) gewährte der Beklagte den Klägern vorläufig Leistungen unter anderem für September 2020 in Höhe von nunmehr 1.103,69 € (Kläger zu 1. und 2. jeweils 432,88 € und Klägerin zu 3. Insgesamt 238,93 €) infolge einer fiktiven Anpassung des Einkommens der Klägerin zu 1.
Mit Änderungsbescheid vom 29.06.2020 (Bl. 131 der Verwaltungsakte) gewährte der Beklagte den Klägern nunmehr vorläufig geringere Leistungen von 689,00 € für September 2020 (Kläger zu 1. und 2. jeweils 269,92 € und Klägerin zu 3. insgesamt 149,16 €) infolge der Aufnahme einer weiteren Beschäftigung der Klägerin zu 1 bei der M. UG, nachdem diesbezüglich offenbar Lohnabrechnungen für den Zeitraum Dezember 2019 bis Mai 2020 eingingen (Bl. 125 der Verwaltungsakte).
Mit Änderungsbescheid vom 22.09.2020 (Bl. 186 der Verwaltungsakte) gewährte der Beklagte den Kläger vorläufig höhere vorläufige Leistungen unter anderem für September 2020 wegen vorgelegter Lohnnachweise und Anpassung an die neue Mietobergrenze von nunmehr insgesamt 1.007,99 € (Kläger zu 1. und 2. jeweils 393,51 € und der Klägerin zu 3. nunmehr 220,97 €).
Mit Schreiben vom 22.09.2020 forderte der Beklagte die Vorlage der Nebenkostenabrechnung für 2019. Es sei zu klären, inwiefern ein Anspruch auf Leistungen bestehe bzw. bestanden habe.Am 26.10.2020 (Bl. 223 der Verwaltungsakte) ging bei dem Beklagten die Nebenkostenabrechnung vom 15.06.2020 für 2019 ein, welche eine Gutschrift von 218,34 € aufwies, die im Mietkonto für August 2020 gutgeschrieben wurde.
Mit Schreiben jeweils vom 27.10.2020 (Bl. 236 ff. der Verwaltungsakte) hörte der Beklagte die Kläger dazu an, dass es beabsichtigt sei, die Gutschrift von 218,34 € mindernd auf die Bedarfe der Unterkunft und Heizung anzurechnen. Dies mindere den Bedarf im September 2020. Die Kläger zu 1. und 2. hätten jeweils 78,43 € im September 2020 zu erstatten und die Klägerin zu 3. betreffend September 2020 insgesamt 61,46 €. Der Bescheid vom 17.05.2020 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 25.06.2020, 29.06.2020 und 22.09.2020 sei nach § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) i.V.m. § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) aufzuheben. Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden vom 17.11.2020 (Bl. 248 ff. der Verwaltungsakte) hob der Beklagte den Bescheid vom 17.05.2020 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 25.06.2020, 29.06.2020 und 22.09.2020 betreffend September 2020 teilweise auf und ordnete, entsprechend der Anhörung, seitens der Kläger zu 1. und 2. die Erstattung von jeweils 78,43 € und betreffend die Klägerin zu 3. von 61,46 € an.
Gegen die Bescheide vom 17.11.2020 erhoben die Kläger am 25.11.2020 Widerspruch (Bl. 261 ff. der Verwaltungsakte).Die Erstattung stamme aus N...