Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. Unfallbegriff. innere Ursache. Kausalität. psychische Belastungssituation. keine Vorerkrankung. Gelegenheitsursache. Beweis des ersten Anscheins. betriebliche Besprechung. Schlaganfall
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Besprechung mit der Geschäftsleitung kann als "geistig-seelische Einwirkung" ein Unfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung darstellen, wenn sich der Versicherte in einer psychischen Ausnahmesituation befand.
2. Erleidet ein Versicherter im Rahmen einer betriebsbedingten psychischen Ausnahmesituation einen Schlaganfall und sind beim Versicherten keine nennenswerten kardio-vaskulären Risikofaktoren bekannt, ist die Besprechung, trotz der Tatsache, dass ein Schlaganfall ein allgemeines Lebensrisiko darstellt, wesentliche Bedingung für den erlittenen Schlaganfall und somit ein Arbeitsunfall.
3. Erleidet ein Versicherter unmittelbar im Rahmen einer betriebsbedingten psychischen Ausnahmesituation (Unfall) einen Schlaganfall (Gesundheitsschaden) ohne das nennenswerte Vorerkrankungen bei ihm bekannt sind, spricht zudem der Beweis des ersten Anscheins für einen Kausalzusammenhang zwischen Unfall und Gesundheitsschaden.
Tenor
1. Der Bescheid vom 26.06.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.10.2007 wird aufgehoben.
2. Es wird festgestellt, dass das Ereignis vom 06.06.2006 ein Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung ist.
3. Es wird festgestellt, dass eine motorisch betonte Aphasie, eine mittelschwere hand- und armbetonte zentrale Hemiparese rechts, eine leichte Polyneuropathie, kognitive Beeinträchtigungen und eine symptomatische Epilepsie Folgen des Arbeitsunfalls vom 06.06.2006 sind.
4. Die Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung des Ereignisses vom 06.06.2006 als Arbeitsunfall im Sinne der Gesetzlichen Unfallversicherung (GUV).
Der am … 1949 geborene Kläger war zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Ereignisses bei der Fa. G., jetzt H., als Vertriebsmitarbeiter beschäftigt und hierdurch vermittelt bei der Beklagten versichert.
Am 06.06.2006 fand in den Geschäftsräumen der Fa. G. eine Besprechung statt, deren Ablauf im einzelnen streitig ist. Dem Grunde nach ging es um einen für die Firma G. wichtigen Auftrag. Während dieser Besprechung gähnte der Kläger plötzlich sehr intensiv und rutschte unmittelbar danach bewusstlos von seinem Stuhl. Der herbeigerufene Notarzt verbrachte den Kläger in das Klinikum I.. Dort wurde beim Kläger ein ischämischer Insult - also ein Schlaganfall -, der durch einen Mediainfarkt hervorgerufen wurde, diagnostiziert. Dieser hatte initial eine armbetonte Hemiparese rechts sowie eine Aphasie zur Folge. Eine durchgeführte Lysetherapie führte zu keinem wesentlichen Rückgang der Symptomatik. Kardial bedingte Thromben konnten als Ursache des Schlaganfalls ausgeschlossen werden.
Mit Schreiben vom 18.06.2006 zeigte die Ehefrau des Klägers das Geschehen bei der Beklagten an und bat um die Anerkennung als Arbeitsunfall.
Mit Bescheid vom 26.06.2006, der nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen war, lehnte die Beklagte die Anerkennung als Arbeitsunfall ab. Unfälle seien zeitlich begrenzte auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden führen. Ein Schlaganfall trete jedoch aus innerer Ursache auf.
Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 30.05.2007 Widerspruch. Er sei im Rahmen der Besprechung am 06.06.2006 von der Geschäftsleitung vehement verbal angegangen worden und sei so erheblichem psychischem Stress ausgesetzt gewesen. Eine innere Ursache für den Schlaganfall scheide aus, da keine entsprechenden Vorerkrankungen bzw. Krankheitsanlagen nachweisbar seien.
Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 24.10.2007 zurückgewiesen. Der Verwaltungsakt vom 26.06.2006 sei nicht zu beanstanden. Nach der Rechtsprechung würden hohe Anforderungen für die Anerkennung eines Schlaganfalles verlangt, der im Rahmen einer betrieblichen Stresssituation auftrete. Verlangt werde die Existenz einer außergewöhnlichen, das betriebsübliche Maß erheblich überschreitenden akuten Stresssituation. Diese hätte am 06.06.2006 nicht vorgelegen. Es mag zwar nach dem Empfinden des Klägers bei der geschäftlichen Besprechung eine angespannte Situation geherrscht haben, die aber nicht als außergewöhnlich zu beurteilen sei, sodass rechtlich wesentliche psychische Reaktionen ausgelöst werden könnten, die zu einem Schlaganfall führen. Bei der geschäftlichen Besprechung habe es sich um eine betriebsübliche Stresssituation gehandelt, die sich aus dem beruflichen Verantwortungsbereich des Klägers ergab. In dieser beruflichen Verantwortung gehörten angespannte berufliche Situationen, wie die Auseinandersetzung mit Vorgesetzten, zum gewöhnlichen beruflichen Alltag. Es ist deshalb nicht ungewöhnlich und somit auch nicht außergewöhnlich, wenn verbale Kritik geübt werde, auch wenn sie als unsa...