Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. freiwilliges Mitglied. stationär in Einrichtungen untergebrachter Empfänger von Leistungen nach dem SGB 12. Beitragsbemessung. Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler sind bloße Verwaltungsvorschriften. Vorstand. keine hinreichende demokratische Legitimation des Vorstandes zur Rechtsetzung
Orientierungssatz
1. Die Festsetzung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Beitragsbemessung von Empfängern von Leistungen nach dem SGB 12, die in Einrichtungen stationär untergebracht sind, ist rechtswidrig, soweit als Beitragsbemessungsgrundlage ein die Mindestbeitragsbemessungsgrenze nach § 240 Abs 4 S 1 SGB 5 übersteigender Betrag zugrunde gelegt worden ist.
2. Bei den "Beitragsverfahrensgrundsätzen Selbstzahler" handelt es sich um bloße Verwaltungsvorschriften, die formlos durch das Exekutivorgan in Gestalt des Vorstandes des GKV-Spitzenverbandes beschlossen wurden. Damit genügen sie auch nicht den Anforderungen des Art 80 GG. Es handelt sich nicht um eine Rechtsverordnung. In den §§ 217e Abs 2 und 240 SGB 5 wird auch keiner der in Art 80 GG genannten Adressen ermächtigt (vgl LSG Darmstadt vom 21.02.2011 - L 1 KR 327/10 B ER).
3. Die "Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler" können auch nicht reduzierend als Allgemeinverfügung ausgelegt werden, da bei Beachtung des Regelungswillens des GKV-Spitzenverbandes die Voraussetzungen des § 31 S 2 SGB 10 nicht vorliegen. Sie sollen keinen generell-konkreten Einzelfall in Bezug auf einen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis regeln; vielmehr enthalten sie notwendige generell-abstrakte Essentialia des Beitragstatbestandes (vgl LSG Darmstadt aaO).
4. Ungeachtet der Form der "Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler" verfügt der Vorstand nicht über die hinreichende demokratische Legitimation zur Rechtsetzung.
Nachgehend
Tenor
1. Der Bescheid vom “Juli 2009„ in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.02.2010 wird aufgehoben, soweit als Beitragsbemessungsgrundlage ein die Mindestbeitragsbemessungsgrenze nach § 240 Abs. 4 S. 1 SGB V übersteigender Betrag zugrunde gelegt worden ist.
2. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
3. Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe der Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung.
Der Kläger ist in einer stationären Einrichtung untergebracht und bezieht Grundsicherungsleistungen. Er ist bei der Beklagten freiwillig krankenversichert. Mit Bescheid vom “Juli 2009„ setzte die Beklagte die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab 1. Juli 2009 neu fest. Zur Begründung führte sie aus, dass die Regierung ein 2. Konjunkturpaket auf den Weg gebracht habe. Danach werde der ermäßigte Beitragssatz von 14,9 auf 14,3 % gesenkt. Zeitgleich wirkten auch die einheitlichen Grundsätze des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder. Nach diesen Grundsätzen gelte für Bezieher von Leistungen nach dem 12. Buch des Sozialgesetzbuches (SGB XII ), die in Einrichtungen lebten, der 3,6 fache Satz des Sozialhilferegelsatzes als Bemessungsgrundlage für die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge.
Somit ergebe sich ab dem 1.7.2009 folgender Monatsbeitrag:
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Beitrag zur Krankenversicherung |
184,81 € |
Beitrag zur Pflegeversicherung |
25,20 € |
Gesamtbetrag |
210,01 € |
Dem widersprach der Kläger am 30.7.2009 und führte im Weiteren zur Begründung aus, dass die einzelnen Krankenkassen in der Vergangenheit in aller Regel eine Vereinbarung über die Beitragsbemessung ihrer freiwilligen Mitglieder in stationären Einrichtungen mit den jeweils zuständigen Sozialhilfeträgern abgeschlossen hätten. In Hessen sei das Dreifache des Sozialhilferegelsatzes vereinbart worden. Nunmehr habe der Spitzenverband Bund in seinen “Einheitlichen Grundsätzen zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder„ als Beitragbemessungsgrundlage das 3,6- fache des Regelsatzes eines Haushaltsvorstandes festgelegt. Vor diesem Hintergrund habe der Kläger einen um 35 € erhöhten Krankenversicherungsbeitrag monatlich zu zahlen. Die vom Spitzenverband Bund festgelegten Ausgangswerte bildeten in keiner Weise die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Mitglieder korrekt ab und entsprächen nicht mehr der Intention des Gesetzgebers.
Mit Bescheid vom 04.02.2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass der Gesetzgeber mit Gesetz vom 26. März 2007 in § 240 Absatz 1 S. 1 SGB V geregelt habe, dass ab 1. Januar 2009 für freiwillige Mitglieder die Beitragsbemessung einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt werde. Der Spitzenverband Bund seinerseits habe die ihm übertragene Aufgabe mit dem Erlass der “Einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge, Beitragsv...