Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Rentenversicherung: Anerkennung von im Ausland absolvierten Berufszeiten eines Spätaussiedlers als Beitragszeiten in der Rentenversicherung. Anforderungen an den Nachweis einer Berufsausübung als Voraussetzung der Bemessung von Entgeltpunkten. Beweiskraft eines Russischen Arbeitsbuches in Bezug auf rentenrechtliche Beitragszeiten. Zuordnung der Tätigkeit als Kraftfahrer zu einer Qualifikationsgruppe
Orientierungssatz
1. Für die Anerkennung der ungekürzten Entgeltpunkte für Beitragszeit einer durch einen Spätaussiedler im Herkunftsland geleisteten sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung müssen nicht nur Beginn und Ende des Beschäftigungsverhältnisses sondern auch die tatsächliche Beitragsentrichtung während der gesamten Dauer der Beschäftigung nachgewiesen sein. Für die Beurteilung der Beitragspflicht ist dabei das Bundesrecht mit seinen Wertungen und nicht das Recht des Herkunftslandes maßgebend.
2. Ein Russisches Arbeitsbuch und eine russische Arbeitsbescheinigung sind nicht als Nachweis einer ununterbrochenen Beitragszahlung in einem Beschäftigungsverhältnis geeignet (Anschluss LSG Darmstadt, Urteil vom 11.11.2003, Az.: L 2 RJ 25/03). Sie können allenfalls die Glaubhaftmachung einer beitragspflichtigen Beschäftigung begründen.
3. Die Tätigkeit als Kraftfahrer ist nur dann bei der Ermittlung von rentenrechtlichen Entgeltpunkten für Fremdrentenzeiten der Qualifikationsgruppe 4 zuzuordnen, wenn der Versicherte eine Berufsausbildung mit einer Facharbeiterprüfung für diese Tätigkeit oder eine langjährige Berufserfahrung nachweisen kann, die mindestens die doppelte Zeitdauer der üblichen Ausbildungszeiten umfasst. Andernfalls kommt zur Zuordnung lediglich die Qualifikationsgruppe 5 in Betracht.
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Überprüfungsverfahren gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) um die ungekürzte Anerkennung der von dem Kläger in der Zeit vom 15.08.1961 bis 10.10.1962, 05.11.1962 bis 04.11.1965, 17.01.1966 bis 06.09.1966, 14.10.1966 bis 07.12.1966, 07.01.1967 bis 26.04.1971 und 30.04.1971 bis 05.01.1993 in der ehemaligen UdSSR zurückgelegten Beitragszeiten sowie um die Qualifikationsgruppeneinstufung der von dem Kläger in der ehemaligen UdSSR zurückgelegten Beitragszeiten als Kraftfahrer der Klasse I nach der Anlage 13 zum Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI).
Der 1943 in P... (Russland) geborene Kläger kam am 24.02.1993 als anerkannter Spätaussiedler im Sinne von § 4 des Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz - BVFG) nach Deutschland. Den Eintragungen in seinem 07.09.1996 ausgestellten russischen Arbeitsbuch sowie vorgelegter Arbeitsbescheinigungen zufolge war der Kläger in seinem Herkunftsland wie folgt beschäftigt:
15.08.1961 bis 10.10.1962 Traktorist in einer Kolchose
05.11.1962 bis 04.11.1965 Dienst in der Sowjetarmee
17.01.1966 bis 06.09.1966 Kraftfahrer in der Tuberkuloseabteilung
14.10.1966 bis 07.12.1966 Kraftfahrer für die Auslieferung für Kinofilme
07.01.1967 bis 31.12.1968 Kraftfahrer - Elektromonteur
01.01.1969 bis 31.10.1969 Kraftfahrer der Klasse I
01.11.1969 bis 26.04.1971 Kraftfahrer in der Verwaltung
30.04.1971 bis 30.11.1973 Elektromonteur
01.12.1973 bis 30.03.1976 Meister für Reparaturen und Betrieb PS
31.03.1976 bis 20.05.1979 Ingenieur-Technologe für Betrieb und Reparatur
21.05.1979 bis 31.05.1991 Ingenieur der 1. Kategorie im Betriebsdienst
01.06.1991 bis 05.01.1993 Führender Ingenieur des PS-Dienst
Am 23.09.1993 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Kontenklärung. Durch Bescheid vom 01.02.1999 erließ die Beklagte nach § 149 Abs. 5 SGB VI einen (bestandskräftigen) Bescheid, durch die in dem streitgegenständlichen Zeitraum von dem Kläger in seinem Herkunftsland zurückgelegten Beitragszeiten nach Maßgabe des Fremdrentengesetzes (FRG) als lediglich glaubhaft gemachte Beitragszeiten mit Kürzung auf fünf Sechstel in die bundesdeutsche gesetzliche Rentenversicherung übernommen wurden. Die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit als Kraftfahrer (der Klasse I) wurde in die Qualifikationsgruppe 5 der Anlage 13 zum SGB VI eingestuft.
Auf entsprechenden Antrag bewilligte die Beklagte dem Kläger durch (bestandskräftigen) Bescheid vom 10.08.2006 für die Zeit ab dem 01.09.2006 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit.
Am 17.03.2010 stellte der Kläger den hier maßgeblichen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X, mit dem er u. a. die Einstufung seiner Tätigkeit als Kraftfahrer (der Klasse I) in die Qualifikationsgruppe 4 sowie die ungekürzte Anerkennung der von ihm in dem streitgegenständlichen Zeitraum in seinem Herkunftsland zurückgelegten Beitragszeiten begehrte.
Durch Bescheid vom 09.07.2010 lehnte die Beklagte die...