Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesamtsozialversicherungsbeitrag. Zusammentreffen mehrerer Versicherungsverhältnisse. Entstehen der Beitragsansprüche unabhängig von Kenntnis des Arbeitgebers

 

Orientierungssatz

Beitragsansprüche entstehen mit dem Vorliegen der im Gesetz bestimmten Voraussetzungen unabhängig von der Kenntnis des Arbeitgebers gemäß § 22 SGB 4.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten werden nicht erstattet.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um eine Beitragsnachforderung in Höhe von 9.337,12 DM.

Die Klägerin betreibt ein Gebäude- und Industriereinigungsunternehmen. In ihrem Unternehmen war vom 01.08.1994 bis 31.12.1998 der Arbeitnehmer ... geringfügig beschäftigt. Bei Eintritt in das Beschäftigungsverhältnis hatte er gegenüber der Klägerin erklärt, er übe keine weitere Beschäftigung aus. Gleichwohl war er ab 01.01.1995 in einem weiteren geringfügigen Beschäftigungsverhältnis bis 31.12.1998 beschäftigt. Das erfuhr die Beklagte im Jahr 1998 vom Verband der Rentenversicherungsträger. Auf Anfrage teilte die Klägerin der Beklagten mit Schreiben vom 25.11.1998 die gezahlten Gehälter für den Zeitraum 1995 bis 1998 mit.

Mit Bescheid vom 21.01.1999 teilte die Beklagte der Klägerin mit, das Beschäftigungsverhältnis des Arbeitnehmers unterliege der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung. Sie forderte Beiträge für die Zeit vom 01.01.1995 bis 31.12.1998 in Höhe von 9.337,12 DM nach.

Mit Bescheid vom 21.01.1999 teilte die Beklagte dem Arbeitnehmer mit, seine geringfügigen Beschäftigungen seien zusammenzurechnen, somit habe vom 01.01.1995 bis 31.12.1998 Versicherungspflicht zur Kranken-, Arbeitslosen-, Pflege- und Rentenversicherung bestanden. Der Arbeitnehmer legte keinen Widerspruch gegen diesen Bescheid ein.

Mit Schreiben vom 27.05.1999 legte die Klägerin Widerspruch gegen den nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheid der Beklagten vom 21.01.1999 ein.

Sie vertrat die Auffassung, es habe ein versicherungsfreies Beschäftigungsverhältnis bestanden. Sie habe darauf vertrauen dürfen, dass eine eventuelle Kollision mit anderen geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen aufgrund der von ihr vorgelegten Meldung von der Beklagten erkannt und nach mindestens vier bis sechs Wochen mitgeteilt würde. Eine Nachforderung nach vier Jahren verstoße gegen die Grundsätze eines fairen rechtsstaatlichen Verfahrens und sei grob unbillig.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10.02.2000 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.

Dagegen hat die Klägerin am 10.03.2000 Klage vor dem Sozialgericht Wiesbaden erhoben.

Sie wiederholt ihr Vorbringen im Vorverfahren und beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 21.01.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.02.2000 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie weist darauf hin, dass der Arbeitnehmer ausweislich ihres Computerausdruckes vom 17.01.2002 noch bei der Klägerin beschäftigt sei. Die Klägerin habe unter anderem die Möglichkeit, den unterbliebenen Lohnabzug nachzuholen, wenn der Abzug ohne Verschulden des Arbeitgebers unterblieben sei. § 28 g Abs. 4 SGB IV eröffne auch die Möglichkeit einer Schadensersatzklage gegen den Arbeitnehmer.

Die Kammer hat zur Sachaufklärung die Verwaltungsakte der Beklagten beigezogen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, sachlich aber unbegründet.

Die Klägerin ist verpflichtet, die Gesamtsozialversicherungsbeiträge für den Beschäftigten ... für die Zeit vom 01.01.1995 bis 31.12.1998 in Höhe von 9.337,12 DM nachzuzahlen.

Nach § 28 e SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu zahlen. Er haftet der Einzugsstelle gegenüber für die Erfüllung der Zahlungspflicht.

Das Beschäftigungsverhältnis des Herrn ... unterlag in der Zeit vom 01.01.1995 bis 31.12.1998 der Sozialversicherungspflicht. Eine geringfügige Beschäftigung im Sinne von § 8 Abs. 1 SGB IV lag nicht vor, denn das Beschäftigungsverhältnis bei der Klägerin und das weitere Beschäftigungsverhältnis beim Amt für Verteidigungslasten waren zusammenzurechnen, § 8 Abs. 2 SGB IV.

Der Beitragsanspruch entstand mit dem Vorliegen der im Gesetz bestimmten Voraussetzungen unabhängig von der Kenntnis der Klägerin, § 22 SGB IV. Mit dem Beitragsanspruch entstand auch die Zahlungspflicht. Die Klägerin ist daher auch verpflichtet, noch nicht verjährte Beiträge für die zurückliegenden Zeiträume nach zu entrichten, selbst wenn sie erst nachträglich von der Beitragspflicht Kenntnis erlangt hat. Dabei ist unerheblich, ob sie an der verzögerten Beitragszahlung ein Verschulden trifft. Selbst durch grob pflichtwidriges und möglicherweise strafbares Verhalten des Arbeitnehmers wird der Arbeitgeber von seiner öffentlich rechtlichen Pflicht zur Zahlung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge nicht frei. Vielmehr ist der Arbeitgeber selbst dann verpflichtet, den Gesamtsozialversicherungsbeitrag einschließlich des Arbeitnehmeranteils an die Einzugstelle zu zahlen, wenn ihm nic...

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