Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungsbeiträge. Geringfügige Beschäftigung. Einzugsstelle. Mehrere Beschäftigungen. Versicherungspflicht. Regelungscharakter. Meldepflicht. Verwirkung. Verwirkungsverhalten. Sozialrechtlicher Herstellungsanspruch. Positive Forderungsverletzung
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Verpflichtung eines Arbeitgebers, Sozialversicherungsbeiträge für eine geringfügig Beschäftigte zu zahlen, wenn diese Beschäftigte ohne Wissen des Arbeitgebers einer weiteren Beschäftigung nachging und der Arbeitgeber weder von der Einzugsstelle noch der Krankenkasse über die weitere geringfügige Beschäftigung zeitnah informiert wurde.
Normenkette
SGB IV § 28a Abs. 9, § 28g Sätze 1-2, §§ 28i, 28e Abs. 1 S. 1, § 22 Abs. 1, § 25 Abs. 1 S. 1, § 103 Abs. 1, § 102 Abs. 2, § 104; SGB X §§ 31, 52 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
SG für das Saarland (Urteil vom 04.04.2001) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 04.04.2001 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin verpflichtet ist, volle Sozialversicherungsbeiträge für die bei ihr geringfügig beschäftigt gewesene Beigeladene zu 1) zu zahlen, nachdem sich herausgestellt hatte, dass die Beigeladene zu 1) gleichzeitig in einem weiteren geringfügigen Beschäftigungsverhältnis stand.
Mit Schreiben ohne Datum informierte die Beklagte, die unter dem Datum des 08.09.1997 einen entsprechenden EDV-Auszug von der Datenstelle der Rentenversicherungsträger (künftig: Datenstelle) erhielt, die Klägerin darüber, dass nach einer Mitteilung der Datenstelle von der bei der Klägerin vom 01.04.1990 bis 31.03.1997 als Reinemachefrau für neun Stunden wöchentlich beschäftigten Beigeladenen zu 1) seit 01.07.1993 eine weitere geringfügige Beschäftigung ausgeübt werde. Der Beigeladene zu 2) teilte der Beklagten am 13.10.1997 mit, dass die Beigeladene zu 1) bei ihm seit 01.07.1993 für 400,- DM beziehungsweise 300,- DM im Monat tätig sei. Die Beklagte richtete sich mit zwei Schreiben vom 20.10.1997 sowohl an die Klägerin als auch an den Beigeladenen zu 2). Die Beigeladene zu 1) habe mehrere Beschäftigungen ausgeübt, die zusammengerechnet eine Versicherungs- und Beitragspflicht zur Kranken- und Rentenversicherung für die Zeit vom 01.07.1993 bis 31.03.1997 begründet hätten. Ab Januar 1995 fielen auch Beiträge zur Pflegeversicherung an. Ab 01.04.1997 seien zudem Beiträge zur Arbeitslosenversicherung fällig. Man bitte, die Beiträge zu ermitteln und gegebenenfalls nach Kalenderjahren getrennt nachzuweisen und die erforderlichen Meldungen nachzureichen. Die Beklagte gab die jeweiligen Beitragssätze für die einzelnen Sozialversicherungen und den jeweiligen Beschäftigungszeitraum an.
Unter Bezugnahme auf die versicherungsrechtliche Beurteilung der Beschäftigungen der Beigeladenen zu 1) durch die Beklagte erhob die Klägerin am 14.11.1997 Widerspruch. Sie begründete den Rechtsbehelf im Wesentlichen damit, dass sie nicht wisse, ob der von der Beklagten festgestellte Sachverhalt zutreffe. Selbst wenn es richtig sei, dass die Beigeladene zu 1) sie vorsätzlich falsch informiert haben sollte, brauche man nähere Angaben über das andere Beschäftigungsverhältnis. Im Übrigen sei eine Beitragsnacherhebung über einen Zeitraum von nahezu vier Jahren nicht möglich.
Aus einem Vermerk der Beklagten vom 15.12.1997 geht hervor, dass die Beigeladene zu 1) beim Beigeladenen zu 2) eine Erklärung unterschrieben habe, dass sie keine weitere Beschäftigung ausübe. Der Beigeladene zu 2) habe die Beiträge bereits nachentrichtet.
Mit Bescheid vom 23.03.1998 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Man habe durch die Rückmeldung der Datenstelle vom 08.09.1997 erstmals Kenntnis darüber erhalten, dass die Beigeladene zu 1) seit dem 01.07.1993 gleichzeitig zwei geringfügige Beschäftigungen ausübe. Von Juli 1993 bis März 1997 habe die Beigeladene zu 1) der Versicherungspflicht zur Kranken- und Rentenversicherung unterlegen, weil ihr regelmäßiges Bruttoarbeitsentgelt aus ihren Beschäftigungen insgesamt die maßgebende Geringfügigkeitsgrenze überstiegen habe. Seit 01.01.1995 bestehe im Übrigen auch Versicherungspflicht zur sozialen Pflegeversicherung. Die Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 1) ergebe sich aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB V) sowie § 1 Satz 1 Nr. 1 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VI). Versicherungsfrei sei, wer eine geringfügige Beschäftigung ausübe, was sich aus § 7 SGB V, § 20 Abs. 1 Satz 1 des Elften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB XI) und § 5 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI sowie § 169a Abs. 2 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) ergebe. Bei mehreren Beschäftigungen seien die wöchentlichen Arbeitszeiten sowie die Arbeitsentgelte zusammenzurechnen. Im konkreten Fall sei die Arbeitsentgeltgrenze überschritten. Bei der Arbeitslosenversicherung habe hingegen Versicheru...