Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Anspruch auf Krankengeld. Arbeitsunfähigkeit. Urlaub innerhalb der Europäischen Union. Ausland iSv § 16 Abs 1 SGB 5

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Anspruch auf Krankengeld besteht auch während eines Urlaubs innerhalb der Europäischen Union, sofern Arbeitsunfähigkeit besteht und bescheinigt ist.

2. Ausland iSv § 16 Abs 1 SGB V ist der Bereich außerhalb der Europäischen Union.

 

Tenor

I. Unter Abänderung des Bescheides vom 26. Juli 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. September 2016 wird die Beklagte verurteilt, dem Kläger während seines Auslandsaufenthaltes in Kroatien vom 15. August 2016 bis 27. August 2016 Krankengeld in Höhe von 51,50 Euro täglich zu zahlen.

II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt Krankengeld während seines Aufenthaltes in Kroatien.

1.

Der am 27. November 1961 geborene Kläger war nach einer Operation eines zervikalen Bandscheibenvorfalles arbeitsunfähig und unterzog sich vom 21. Juli 2016 bis 10. August 2016 einer ambulanten Reha-Maßnahme. Im Hinblick auf seine geplante Reise nach Kroatien und seinen dortigen Aufenthalt vom 15. August 2016 bis 27. August 2016 wandte er sich unter Beifügung eines Attestes seines behandelnden Arztes an die Beklagte. Es werde derzeit eine ambulante Reha-Maßnahme durchgeführt, von welcher er gut profitiere. Aufgrund des aktuellen Beschwerdebildes sei eine geplante Reise nach Kroatien medizinisch nicht nachträglich für den Heilungsprozess. Unter dem 26. Juli 2016 erklärte der MDK, dass eine optimale postoperative Versorgung gefährdet werde. Es bestehe die Gefahr, dass durch den Auslandsaufenthalt der Genesungsprozess verzögert werde. Sinnvoll wäre nach der Reha-Entlassung intensives IRENA bzw. dreimal wöchentlich Krankengymnastik. Mit Bescheid vom 26. Juli 2016 erklärte die Beklagte, dass der Anspruch auf Krankengeld während des Aufenthaltes in Kroatien ruhe. Die Zustimmung könne nur in Ausnahmefällen erfolgen. Nach Abwägung der Gründe im Einzelfall könne die Beklagte dem Auslandsaufenthalt nicht zustimmen. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein und legte eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 11. August 2016 vor, wonach Arbeitsunfähigkeit bis voraussichtlich 31. August 2016 bestehe. Mit Widerspruchsbescheid vom 20. September 2016 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Das Ruhen des Krankengeldes sei wegen der Schwierigkeiten bei der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit und wegen Missbrauchsgefahr grundsätzlich vom Gesetz angeordnet. Die Krankenkasse könne die Zustimmung versagen, wenn sie die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Ausland für nicht gesichert halte oder Missbrauch annehmen könne. Nur einen Monat nach der Bandscheibenoperation sei eine lange Fahrt im PKW dem Genesungsprozess nicht förderlich.

2.

Dagegen wurde am 19. Oktober 2016 Klage erhoben.

Der Bevollmächtigte des Klägers beantragt zuletzt,

den Bescheid der Beklagten vom 26. Juli 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. September 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger während seines Auslandsaufenthaltes in Kroatien vom 15. August 2016 bis 27. August 2016 Krankengeld in Höhe von 51,50 Euro täglich zu zahlen.

3.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

4.

Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten auf die vorgelegte Beklagtenakte sowie die Gerichtsakte verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage, gegen deren Zulässigkeit keine Bedenken bestehen, ist begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Krankengeld auch während seines Auslandsaufenthaltes in Kroatien vom 15. August 2016 bis 27. August 2016. Der Bescheid der Beklagten vom 26. Juli 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. September 2016 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Unter Abänderung des Bescheids vom 26. Juli 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. September 2016 ist die Beklagte daher zur Zahlung des Krankengeldes auch während des Auslandsaufenthaltes in Kroatien vom 15. August 2016 bis 27. August 2016 zu verurteilen.

1.

Nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB V ruht der Leistungsanspruch eines Versicherten, solange er sich im Ausland aufhält, und zwar auch dann, wenn er dort während eines vorübergehenden Aufenthalts erkrankt. Die Anwendbarkeit von § 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB V steht unter dem ausdrücklichen Vorbehalt abweichender Bestimmungen "in diesem Gesetzbuch". Damit ist das gesamte Sozialgesetzbuch (insbesondere das SGB I, IV und V) gemeint (Blöcher in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 16 SGB V Rd.Nr. 21).

Für den Anspruch auf Krankengeld sieht § 16 Abs. 4 SGB V eine innerstaatliche Ausnahme vor. Danach ruht der Anspruch auf Krankengeld nicht, solange sich Versicherte nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit mit Zustimmung der Krankenkasse im Ausland aufhalten. Die Entscheidung hierüber steht nach dem Gesamtinhalt der Norm im Ermessen der Krankenkasse. Nach dem Zweck der Ermächtigung sind insbesondere...

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