Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Akteneinsicht eines Betreuers. kein Verstoß gegen Urheberrecht bzw Geheimnisverrat. kein Anspruch auf Aktenzusendung

 

Orientierungssatz

1. Ein Betreuter, vertreten durch seinen Betreuer, hat Anspruch auf Einsichtnahme gem § 83 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 10 über die ihn geführte Akte beim Sozialhilfeträger. Hierzu zählt auch eine landesärztliche Stellungnahme.

2. Die Gewährung der Akteneinsicht durch einen Sozialhilfeträger widerspricht weder dem Urheberschutz noch stellt sie einen Geheimnisverrat iS des § 203 StGB dar. Für eine Einverständniserklärung derjenigen, die eine gutachterliche Stellungnahme abgegeben haben und deren Gutachten sich in einer Akte befindet, gibt es keine Rechtsgrundlage. Dem steht gerade der Zweck des § 83 Abs 1 SGB 10 entgegen. Die diesbezüglichen Ausschlussgründe ergeben sich alleine aus § 83 Abs 4 SGB 10, wozu die generelle Amtsverschwiegenheit gerade nicht zählt.

3. Der Betreute hat grundsätzlich keinen Anspruch darauf, dass ihm das Gutachten oder die Akte zur Akteneinsicht zugeschickt wird, da die Ausgestaltung der Auskunft dem Sozialhilfeträger nach pflichtgemäßem Ermessen obliegt, § 83 Abs 1 S 4 SGB 10.

 

Tatbestand

Streitig ist vorliegend, ob ein Anspruch des Klägers auf Einsicht in die beim Beklagten geführte Akte bezüglich der Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII), Kostenübernahme einer Werkstatt für Behinderte bezüglich des Klägers, besteht.

I. Der Kläger war bis zum 07.08.2007 in der Werkstätte für geistig behinderte Menschen in H. Während dieser Zeit beantragte der Betreuer des Klägers mit Schreiben vom 10.01.2007 beim Beklagten einen Wechsel in die Werkstatt für Behinderte Menschen in S., da inzwischen die psychische Behinderung des Klägers in den Vordergrund getreten sei. Die Angelegenheit sei eilig und sollte in der nächsten Fachausschuss-Sitzung besprochen werden. Dem Antrag war eine fachärztliche Bescheinigung beigefügt.

In der Fachausschuss-Sitzung am 24.01.2007 wurde die Aufnahme des Klägers in S. nicht befürwortet, da nicht beurteilt werden könne, ob der Kläger wirklich seelisch behindert ist, weil er während einer Hospitation psychisch völlig unauffällig gewesen sei.

Aufgrund einer Anfrage des Beklagten vom 16.01.2007 erstattete der Landesarzt für geistige und seelische Behinderte, Professor Dr. J. unter dem 12.06.2007 ein Gutachten. Im Ergebnis wurde der Wechsel in die Werkstatt für seelisch behinderte Menschen nach S. als sinnvoll und notwendig erachtet.

In der Fachausschuss-Sitzung am 12.07.2007 wandte sich die Werkstätte für behinderte Menschen S. gegen einen Wechsel des Klägers dorthin, wozu sie sich noch schriftlich äußern wolle.

Der Kläger bat mit Schreiben vom 12.07.2007 um Übersendung des landesärztlichen Gutachtens, um den Sachverhalt selbst würdigen zu können. Diese Bitte wurde am 18.07.2007 wiederholt. Der Beklagte erwiderte darauf, dass eine Übersendung nur mit Einwilligung des Landesarztes möglich sei. Daraufhin forderte der Kläger am 19.07.2007 den Beklagten nochmals auf, ihm das Gutachten bis spätestens 23.07.2007 zu übersenden.

Am 23.07.2007 gab der Beklagte sein Einverständnis für den Wechsel in die Werkstätte für behinderte Menschen in S. Die Werkstätte erklärte sich am 24.07.2007 zur Aufnahme bereit.

Der Kläger erklärte unter dem 24.07.2007, dass er auch bei einer Verlegung in die Werkstätte in S., Einsicht in das landesärztliche Gutachten nehmen wolle. Insofern verlangte er die unverzügliche Akteneinsicht oder Zusendung des Gutachtens bis spätestens 27.07.2007. Der Beklagte erwiderte darauf, dass kein Rechtsschutzbedürfnis mehr bestehe, da einer Aufnahme zugestimmt worden sei. Im übrigen fehle nach wie vor eine entsprechende Einverständniserklärung des Landesarztes. Der Kläger wiederholte sein Begehren mit Schreiben vom 26.07.2007. Der Beklagte verblieb jedoch bei seinem Standpunkt.

Mit Schreiben vom 01.08.2007 wandte sich der Kläger an das Sozialgericht Würzburg mit dem Begehren, eine einstweilige Anordnung dahingehend zu erlassen, dass der Beklagte verpflichtet wird, die Akteneinsicht zu gestatten. Der Antrag wurde mit Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 14.08.2007 (Az. S 15 SO 54/07 ER) abgelehnt. Zur Begründung wurde darauf verwiesen, dass es zum einen an einem Rechtsschutzbedürfnis, zum anderen aber jedenfalls an einem Anordnungsgrund fehle.

II. Der Kläger erhob am 22.08.2007 Klage beim Sozialgericht Würzburg mit dem Antrag:

Den Beklagten auf vollständige lückenlose Akteneinsicht der dort geführten Akte zu verurteilen.

Zur Begründung wurde unter dem 05.09.2007 ausgeführt, dass der Leistungserbringer die Aufnahme nicht freiwillig durchgeführt habe, sondern nur nach Intervention des Beklagten. Dies sei die ungünstigste Ausgangslage, sodass die Entscheidungswege zu würdigen seien. Der Kläger sei weiterhin hochgradig verunsichert, sodass weiterhin ein rechtliches Interesse bestehe. Der Beklagte habe auch die Verfügungsgewalt über das von ihm in Auftrag gegebene Gutachten.

Der...

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