Rz. 6
Nach § 27a Abs. 1 umfassen die Leistungen der Krankenbehandlung medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft, wenn diese nach ärztlicher Feststellung erforderlich und erfolgversprechend sind. Ferner müssen die Personen, welche die Maßnahmen in Anspruch nehmen wollen, miteinander verheiratet sein. Zudem dürfen ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehepartner verwendet werden (sog. homologes System). Weitere Voraussetzung ist, dass sich die Ehegatten vor Durchführung der Maßnahmen von einem Arzt, der die Behandlung nicht selbst vornimmt, über eine solche Therapie unter Berücksichtigung ihrer medizinischen und psychosozialen Gesichtspunkte haben unterrichten lassen und der Arzt sie an einen der Ärzte oder an eine der Einrichtungen überwiesen hat, denen eine Genehmigung nach § 121a erteilt worden ist.
2.1.1 Erforderlichkeit (Abs. 1 Nr. 1)
Rz. 7
Versicherungsfall ist nicht eine Krankheit, sondern die Unfähigkeit des Ehepaares, auf natürlichem Weg Kinder zu zeugen und die daraus resultierende Notwendigkeit einer künstlichen Befruchtung (BSGE 88 S. 62 = SozR 3-2500 § 27a Nr. 3). Grundlegende Voraussetzung ist zunächst, dass die Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung nach ärztlicher Feststellung erforderlich sind. Der Gesetzgeber sieht die Indikation zur künstlichen Befruchtung dann als gegeben an, wenn Behandlungsmaßnahmen nach § 27 keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (mehr) bieten, nicht möglich oder unzumutbar sind (BT-Drs. 11/6760 S. 14). An der Erforderlichkeit fehlt es hingegen, wenn die Unfruchtbarkeit des Ehepaares auf der Zeugungsunfähigkeit oder der Empfängnisunfähigkeit eines oder beider Ehepartner beruht und insoweit die Möglichkeit einer Behandlung zur Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit besteht. Diese Subsidiarität gegenüber Maßnahmen nach § 27 Abs. 1 gilt auch dann, wenn die Zeugungsunfähigkeit durch eine freiwillige, nicht krankheitsbedingte Sterilisation herbeigeführt worden ist und die Refertilisierung daher nicht auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung durchgeführt werden kann (BSG, Urteil v. 22.3.2005, B 1 KR 11/03 R, Rz. 27 f.).
2.1.2 Erfolgsaussicht (Abs. 1 Nr. 2)
Rz. 8
Abs. 1 Nr. 2 setzt die auf ärztlicher Feststellung beruhende hinreichende Erfolgsaussicht voraus. Dabei ist nicht nur die Zahl der Behandlungsversuche maßgebend. Vielmehr sind auch das Alter der Ehegatten – abgesehen von den die Leistung generell ausschließenden Altersgrenzen in Abs. 3 i. d. F. des GMG – und die zugrundeliegende Störung in die Prüfung aufzunehmen. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sind Befruchtungsmaßnahmen, die mehrfach nicht zum Erfolg geführt haben, Anhaltspunkt dafür, dass eine Erfolgsaussicht jedenfalls für die Zukunft zu verneinen ist. Nach medizinischen Erkenntnissen gehen nämlich die Erfolgsaussichten nach 4 vergeblichen Versuchen deutlich von 47 % beim ersten Versuch auf 7 % beim 4. Versuch zurück (BT-Drs. 11/6760 S. 15). Nunmehr ist im Regelfall schon von einer fehlenden Erfolgsaussicht auszugehen, wenn die Maßnahme dreimal erfolglos durchgeführt ist. Mit dieser Regelung sollen die Ausgaben für künstliche Befruchtung auf Fälle medizinischer Notwendigkeit begrenzt werden. Eine hinreichende Erfolgsaussicht bestand nach den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen (jetzt Gemeinsamer Bundesausschuss) für die jeweilige Behandlungsmaßnahme schon nach dem bis zum 31.12.2003 geltenden Recht nicht, wenn sie bei der In-vitro-Fertilisation (Nr. 10.3) bis zu viermal vollständig durchgeführt wurde, ohne dass eine klinisch nachgewiesene Schwangerschaft eintrat. Die neue Eingrenzung auf den "Leistungsanspruch drei Versuche" (BT-Drs. 15/1525 S. 83) soll das Kriterium der hinreichenden Erfolgsaussicht für die Herbeiführung einer Schwangerschaft berücksichtigen. Das Gesetz ließ bis zum 31.12.2003 ausdrücklich Ausnahmen zu. Hierfür müssen besondere Gründe aus medizinischer Sicht maßgebend sein. Mit dem Inkrafttreten des GMG am 1.1.2004 sind Ausnahmen nicht mehr möglich. Die 3 Versuche sind die absolute Grenze.
2.1.3 Ehepaare (Abs. 1 Nr. 3)
Rz. 9
Weitere unverzichtbare Voraussetzung ist nach Nr. 3 eine bestehende Ehe zwischen den Personen, die Maßnahmen nach § 27a in Anspruch nehmen wollen. Dies sah der Gesetzgeber als notwendig an, weil die völlige oder teilweise Gleichstellung nicht Verheirateter mit Ehepaaren im Rahmen künstlicher Befruchtung mit dem verfassungsrechtlichen Schutzanspruch von Ehe und Familie mit dem Wohl des Kindes nicht vereinbar sei (BR-Drs. 535/88 Anl. S. 21). Die nichteheliche Lebensgemeinschaft unterscheidet sich von den Ehen derart, dass ihre Nichtberücksichtigung keinen Verstoß gegen Art. 3 GG darstellt. Weder in persönlicher noch in wirtschaftlicher Beziehung besteht insoweit eine Rechtsgemeinschaft; vgl. zur unterschiedlichen Behandlung bei Anwendung der Sperrzeitregelungen des AFG (BSG, SozR 4100 § 119 Nr. 33, NJW 1989 S. 3036). Maßgeblicher Zeitpunkt der ehelichen Verbindung ist der der Entscheidung über die Einleitung der Befruchtungsmaßnahmen. Später eintretende Veränderungen sind unwesentlich. Abs. 1 Nr. 4 setzt voraus, das...