Zusammenfassung
Handelt es sich bei den Planannahmen eines Bewertungsgutachtens um "Sonderplanungen", die ausschließlich zu Bewertungszwecken und außerhalb des formalen unternehmerischen Planungsprozesses erstellt wurden, sind sie schon deshalb kritisch zu sehen und fallen nur bedingt unter die unternehmerische Planungsvorhand der Gesellschaft.
Hintergrund
Im Zuge einer steuerlich motivierten Entflechtungsstrategie rückten die beiden Schwestergesellschaften Kraftwerk Laufenburg AG mit dem Sitz in Laufenburg/Schweiz (KWL; heute: Energiedienst Holding AG) und Kraftübertragungswerke Rheinfelden AG mit dem Sitz in Rheinfelden/Baden (KWR; heute: Energiedienst AG) im Jahre 2002 näher zusammen. Hierzu vergrößerte die KWL zunächst durch Zukauf im Wege eines freiwilligen öffentlichen Angebots ihren Mehrheitsanteil an der KWR auf 97,39 %. Im Januar 2003 wurden die Aktien der Minderheitsaktionäre der KWR schließlich durch Beschluss der Hauptversammlung gegen Gewährung einer Barabfindung eingezogen (sog. aktienrechtlicher Squeeze-Out).
Einige Minderheitsaktionäre empfanden die im Übertragungsverlangen von KWL festgesetzte Abfindung von 310,50 EUR je KWR-Aktie als zu niedrig und stellten einen Antrag auf gerichtliche Bestimmung einer angemessenen Barabfindung im Wege des sog. Spruchverfahrens. Tatsächlich setzte das angerufene Landgericht Mannheim – nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Unternehmenswert der KWR – im September 2013 (!) eine Abfindung von 434,61 EUR pro Aktie fest.
Das OLG Karlsruhe als Beschwerdegericht änderte die Entscheidung des Landgerichts ab und verringerte die zu zahlende Barabfindung auf 421,72 EUR pro Aktie. Ausschlaggebend sei die Feststellung des Unternehmenswertes im Zeitpunkt des Übertragungsbeschlusses der Hauptversammlung. Ein Ertragswertgutachten wie das des gerichtlich bestellten sachverständigen Prüfers könne hierfür zwar ein Anhalt sein. Letztlich müsse aber das Gericht den Unternehmenswert schätzen. Da das OLG den damaligen Unternehmenswert etwas geringer bewerte als das Landgericht sei auch die Abfindung anzupassen.
Kein Eingriff in Planungshoheit
Nicht folgen wollte das OLG der Argumentation der Energiedienste Holding AG in Bezug auf die Planannahmen. Diese hatte eingewendet, der sachverständige Prüfer habe die Planannahmen, die dem vom Vorstand zur Ermittlung des Unternehmenswerts beauftragten Bewertungsgutachten zugrunde gelegen hatten, eigenständig verändert und dadurch in die Planungshoheit der Gesellschaft eingegriffen. Das OLG Karlsruhe betont, dass Planungen der Gesellschaft als Prognoseentscheidungen der gerichtlichen Nachprüfung zwar grundsätzlich nur eingeschränkt zugänglich seien. Doch habe der sachverständige Prüfer auch nach anerkannten Standards (IDW S1) die Aufgabe, die angesetzten Werte zu plausibilisieren und ggfs. zu korrigieren. Dies gelte besonders dann wenn, wie hier, die Planung eine "Sonderplanung" sei, die ausschließlich zu Bewertungszwecken erfolge und außerhalb eines formalen Planungsprozesses, d.h. zum Beispiel durch den Bewertungsgutachter ohne formale Beschlussfassung durch den Vorstand, erstellt worden sei. Derlei Sonderplanungen unterfielen schon nicht der Planungshoheit und seien allein deshalb kritisch zu sehen.
Unternehmensbewertungen anhand von Planungsrechnungen sind als prognostische Beurteilung notwendig unscharf. Die Rechtsprechung überprüft die in die Zukunft gerichteten Planungen und Prognosen der Gesellschaft nur eingeschränkt, ob sie auf zutreffenden Informationen basieren sowie plausibel und in sich widerspruchsfrei sind. Die Planung muss im Zeitpunkt der Unternehmensbewertung aus Sicht des Leitungsorgans die künftige Entwicklung zutreffend darstellen.