Leitsatz
Nicht verheiratete Eltern von vier minderjährigen Kindern stritten um die elterliche Sorge für eine im Jahre 2006 geborene Tochter sowie das Umgangsrecht mit einer im Jahre 2004 geborenen Tochter, die in einer Pflegefamilie lebte.
Es ging primär um die Frage der Erziehungseignung sowie den Ausschluss des Umgangsrechts wegen der Gefahr einer Retraumatisierung.
Sachverhalt
Die beteiligten Kindeseltern lebten bis Januar 2007 in nichtehelicher Lebensgemeinschaft. Sie hatten vier gemeinsame Kinder, für die sie die elterliche Sorge gemeinsam ausübten. Das älteste Kind, der Sohn Kevin, wurde im Jahre 2002 geboren, die Kindesmutter war seinerzeit knapp 16 Jahre alt. Im Jahre 2004 wurde die Tochter A., im Jahre 2006 eine weitere Tochter J. geboren. Ca. 1 1/2 Jahre nach der Trennung der Eltern wurde deren viertes Kind, der Sohn M., geboren.
In einem Verfahren vor dem FamG stritten sie zum einen um die elterliche Sorge für die Tochter J. und zum anderen die Frage, inwieweit den Eltern ein Recht auf Umgang mit ihrer weiteren Tochter A. zustand, die in einer Pflegefamilie lebte.
Durch Beschluss des AG vom 19.12.2006 wurde den Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Tochter A. entzogen und dem Jugendamt übertragen. Anlass war die Feststellung einer durch Mangelernährung verursachten Dystrophie des Kindes durch die behandelnde Kinderärztin. Die anschließende Untersuchung des Kindes legte massive Anzeichen mangelhafter Versorgung durch die Eltern sowie eine dadurch hervorgerufene Deprivation offen. A. lebte daher seit mehreren Jahren in einer Dauerpflegefamilie.
Nach der Trennung der Eltern im Jahre 2007 verblieben die Kinder K. und J. zunächst im Haushalt der Mutter. Im September musste die durch einen anonymen Anruf alarmierte Polizei die Tochter J. aus dem verschlossenen, stark vermüllten und überhitzten Pkw der Mutter befreien. Der Zustand des bereits erheblich dehydrierten Kindes war zu diesem Zeitpunkt derart kritisch, dass es in die Kinderklinik verbracht und anschließend in Obhut genommen wurde. Zur Erklärung dieses Vorfalls gab die Mutter ggü. der Polizei an, sie habe einen Bekannten getroffen und darüber das Kind im Wagen vergessen. Im Krankenhaus wurden auch bei J. Symptome einer Vernachlässigung sowie einer Entwicklungsverzögerung festgestellt.
Das AG hat daraufhin den Eltern zunächst durch einstweilige Anordnung vom 27.9.2007 das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Tochter J. entzogen und in dem vom Jugendamt betriebenen, entsprechenden Hauptsacheverfahren die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Erziehungseignung der Kindeseltern angeordnet.
Der Sachverständige gelangte in seinem Gutachten vom 3.6.2008 zu der Empfehlung, die Tochter J. und den im vorliegenden Verfahren nicht betroffenen Sohn K. in den Haushalt der Kindesmutter zurückzuführen, sofern sich jene mit den Kindern für mindestens 2 Jahre in eine Mutter-Kind-Einrichtung begebe und sich einer ergänzenden Psychotherapie unterziehe. Nach Ablauf der zwei Jahre sei eine weitere ambulante Förderung von J. sowie eine engmaschige Familienhilfe geboten. Sollten die genannten Voraussetzungen nicht erfüllt werden können, sei eine Rückführung von J. in den elterlichen Haushalt nicht zu empfehlen.
Der Sachverständige stellte fest, die Kindesmutter sei ohne Hilfe mit der Betreuung der Kinder deutlich überfordert und insgesamt aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur nur bedingt erziehungsgeeignet. Das AG folgte der gutachterlichen Empfehlung, entzog der Mutter das Sorgerecht für die Tochter J. und übertrug es auf den Vater allein. Ferner hat das AG den Kindeseltern mit zwei inhaltsgleichen Beschlüssen vom 30.9.2008 ein Umgangsrecht mit der Tochter A. eingeräumt, und zwar voneinander getrennt im vierwöchigen Rhythmus für jeweils drei Stunden. Das beteiligte Jugendamt wandte sich gegen alle drei Beschlüsse und verfolgte das Ziel, zum einen auch dem Kindesvater die elterliche Sorge für J. zu entziehen und zum anderen beiden Kindeseltern den Umgang mit der Tochter A. zu verwehren.
Die Rechtsmittel des Jugendamtes führten im Wesentlichen zum Erfolg. Lediglich insoweit, als das Jugendamt einen unbefristeten Ausschluss des Umgangs der Kindeseltern mit dem Kind A. begehrte, unterlag sein Rechtsmittel der Abweisung.
Entscheidung
Das OLG kam hinsichtlich der elterlichen Sorge für die Tochter J. zu dem Ergebnis, auch der Vater sei auf unabsehbare Zeit erziehungsungeeignet, so dass auch ihm die elterliche Sorge zu entziehen sei.
Bereits die Entwicklung des Kindes nach der Geburt belege, dass es im elterlichen Haushalt, der seinerzeit noch von den Kindeseltern gemeinsam geführt worden sei, weder in physischer Hinsicht genügend versorgt worden sei und hinreichende emotionale Zuwendung erfahren habe.
Das Kind sei schwer geschädigt. Die bei ihm aufgetretenen Beeinträchtigungen hätten sich zwar im Zuge des Aufenthalts in der Pflegefamilie sukzessive verbessert, insgesamt bleibe J. aber ein Kind, das auf lange Sicht intensiver Förderung und stabiler emotionale...