Leitsatz
Gegenstand des Verfahrens vor dem OLG Brandenburg war die Handhabung der elterlichen Sorge während der Dauer der Strafhaft der allein sorgeberechtigten Kindesmutter.
Sachverhalt
Die im Juni 1978 geborene Kindesmutter war für ihre im Mai 2007 geborene Tochter allein sorgeberechtigt. Im Juli 2007 wurde sie wegen des Verdachts sexueller Handlungen an Minderjährigen in Untersuchungshaft genommen. Ihre Tochter wurde vom Jugendamt in Obhut genommen. Mit einstweiliger Anordnung vom 9.7.2007 bestätigte das AG die Inobhutnahme vorläufig und stellte ferner vorläufig fest, dass die elterliche Sorge der Kindesmutter, längstens für die Dauer von 6 Monaten seit dem 4.7.2007, ruhe. Die Tochter wurde im allseitigen Einvernehmen in einer Pflegefamilie untergebracht.
Die Kindesmutter wurde durch Urteil des LG vom 28.12.2007 rechtskräftig wegen schweren sexuellen Missbrauchs an Kindern in 26 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt.
Im Rahmen des Strafverfahrens war ein psychologisches Gutachten eingeholt worden, wonach der Kindesmutter eine Persönlichkeitsstörung mit emotional instabilen, unreifen und histrionischen Zügen, eine Intelligenzminderung bei einem IQ von 59, Alkohol- und Medikamentenmissbrauch sowie eine Störung der Sexualpräferenz zugeschrieben und ihr Entwicklungsstand als der einer pubertierenden Jugendlichen bezeichnet wurde.
Das AG hat zunächst durch Beschluss vom 15.1.2008 angeordnet, dass die mit Beschluss vom 9.7.2007 getroffenen Anordnungen weiterhin wirksam blieben. Mit Beschluss vom 8.7.2008 hat es der Kindesmutter die Personensorge entzogen. Gegen den Beschluss hatte die Kindesmutter Beschwerde eingelegt und die Auffassung vertreten, aufgrund ihrer Inhaftierung sei lediglich das Ruhen der elterlichen Sorge auszusprechen.
Das Rechtsmittel der Kindesmutter erwies sich als zulässig und begründet.
Entscheidung
Das OLG kam zu dem Ergebnis, die Entziehung des Sorgerechts für die Tochter sei derzeit nicht geboten. Ausreichende Feststellungen, die eine derartige Entziehung rechtfertigen könnten, seien bislang nicht getroffen worden. Die Kindesmutter sei lediglich an der Ausübung des Sorgerechts gehindert.
Nach Auffassung des OLG war nicht feststellbar, dass die Voraussetzungen der Entziehung des Sorgerechts vorlägen. Insbesondere sei das im Zuge des Strafverfahrens eingeholte Gutachten, das die Schuldfähigkeit der Kindesmutter zum Gegenstand gehabt habe und das im Sorgerechtsverfahren nicht einmal beigezogen worden sei, nicht geeignet, um ausreichende Feststellungen darüber zu treffen, ob das Wohl des Kindes durch die Ausübung der Personensorge seitens der Kindesmutter gefährdet werde.
Derzeit gingen jedenfalls keine Gefahren von der Mutter für das Kindeswohl aus, weil sie durch ihre Inhaftierung ohnehin an der Wahrnehmung ihrer elterlichen Sorge für das Kind tatsächlich gehindert sei und sie der Unterbringung des Kindes in einer Pflegefamilie zugestimmt habe.
Es sei lediglich festzustellen, dass die elterliche Sorge der Kindesmutter gemäß § 1674 BGB ruhe. Eine längerfristige Inhaftierung sei nach allgemeiner Ansicht eine tatsächliche Verhinderung an der Ausübung der elterlichen Sorge. Dies gelte jedenfalls bei länger andauernder Strafthaft (OLG Dresden FamRZ 2003, 1038; OLG Naumburg OLGReport Naumburg 2002, 93; BayObLG, NJW 1975, 1082; Senat, Beschluss vom 5.5.2008 zum Az.: 9 WF 242/07).
Erst im Zusammenhang mit dem Haftende werde das AG gemäß § 1674 Abs. 2 BGB von Amts wegen zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen für die Feststellung des Ruhens weiterhin Bestand hätten und ob ggf. sodann sich ein Verfahren auf Entziehung der elterlichen Sorge gemäß § 1666 BGB anzuschließen habe.
Link zur Entscheidung
Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 29.01.2009, 9 UF 105/08