Entscheidungsstichwort (Thema)
Sorgerecht: Entzug bzw. Ruhen der elterlichen Sorge bei längerer Inhaftierung eines Sorgeberechtigten
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei länger andauernder Strafhaft eines Elternteils ist das Ruhen seines Sorgerechts festzustellen. Für Maßnahmen zu seiner Entziehung besteht allenfalls zum Strafende Anlass.
2. Auch bei einer Ruhensanordnung ist für das Kind ein Vormund zu bestellen.
Normenkette
BGB §§ 1666, 1666a, 1674 Abs. 1, §§ 1773, 1779 Abs. 3
Verfahrensgang
AG Zehdenick (Beschluss vom 08.07.2008; Aktenzeichen 3 F 180/07) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Kindesmutter wird der Beschluss des AG Zehdenick vom 8.7.2008 - 3 F 180/07 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass die elterliche Sorge der Kindesmutter für L.M., geboren am ... 5.2007, seit dem 4.7.2007 ruht.
Für L.M. wird Vormundschaft angeordnet. Zum Vormund wird einstweilen bis zur abschließenden Entscheidung durch das Vormundschaftsgericht bestellt: das Jugendamt des Landkreises ...
Der Beschwerdewert wird auf 3000 EUR festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die am ... 6.1978 geborene Kindesmutter ist für L. allein sorgeberechtigt. Sie hat nach dem Besuch einer Förderschule eine Lehrausbildung als Hauswirtschaftshelferin erfolgreich abgeschlossen, ging danach jedoch keiner beruflichen Tätigkeit nach und lebte von Sozialleistungen. Sie bewohnte zuletzt eine eigene Wohnung in demselben Haus, in dem auch ihre Mutter mit deren Lebensgefährten lebt.
Am 4.7.2007 wurde die Kindesmutter wegen des Verdachts sexueller Handlungen an Minderjährigen in Untersuchungshaft genommen. Ihre am ... 5.2007 geborene Tochter nahm das Jugendamt in Obhut. Mit einstweiliger Anordnung vom 9.7.2007 bestätigte das AG Zehdenick die Inobhutnahme vorläufig und stellte ebenfalls vorläufig fest, dass die elterliche Sorge der Kindesmutter, längstens für die Dauer von sechs Monaten seit dem 4.7.2007, ruhe. L. wurde im allseitigen Einvernehmen in einer Pflegefamilie untergebracht.
Die Kindesmutter wurde durch Urteil des LG Neuruppin vom 19.12.2007, rechtskräftig seit dem 28.12.2007, wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in 26 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt (Az: 12 Kls 379 Js 16232/06 (13/07)).
Dem lag eine Beziehung zwischen der Kindesmutter und dem am ... 6.1992 geborenen P.Z. zugrunde, die auch sexueller Natur war. P.Z. hat am 15.1.2008 mit Zustimmung seiner allein sorgeberechtigten Mutter die Vaterschaft für L.M. anerkannt. Das Jugendamt als Amtsvormund für das Kind hat dem zugestimmt.
Im Rahmen des Strafverfahrens wurde ein psychologisches Gutachten eingeholt, wonach der Kindesmutter eine Persönlichkeitsstörung mit emotional instabilen, unreifen und histrionischen Zügen, eine Intelligenzminderung bei einem IQ von 59, Alkohol- und Medikamentenmissbrauch sowie eine Störung der Sexualpräferenz zugeschrieben und ihr Entwicklungsstand als der einer pubertierenden Jugendlichen bezeichnet wurde.
Das AG hat zunächst durch Beschluss vom 15.1.2008 vorläufig angeordnet, dass die mit Beschluss vom 9.7.2007 getroffenen Anordnungen weiter wirksam bleiben.
Das Jugendamt hat sodann aufgrund der Begründung des Strafurteils unter dem 20.3.2008 beantragt, der Kindesmutter das Sorgerecht für L. insgesamt zu entziehen und angeregt, ihre Erziehungsfähigkeit zu überprüfen. Das AG hat dazu im Anhörungstermin vom 8.7.2008 - ohne Beteiligung des Kindesvaters am Verfahren - zunächst ausgeführt, ein Klärungsbedarf hinsichtlich der Erziehungsfähigkeit der Kindesmutter bestehe derzeit nicht, da sie faktisch an der Betreuung und Versorgung des Kindes durch ihre Inhaftierung gehindert sei. Sodann hat es mit Beschluss vom 8.7.2008 der Kindesmutter die Personensorge entzogen und zur Begründung auf die Gründe der Entscheidung vom 9.7.2007 Bezug genommen.
Die Kindesmutter ist gegenwärtig in der Sozialtherapeutischen Abteilung der JVA ... untergebracht, wo sie eine Therapie absolviert. Ihr sind begleitete Ausgänge zur Wahrnehmung des Umgangs mit L. gestattet. Das Jugendamt hat mit Bericht vom 7.1.2009 ausgeführt, dass einmal monatlich seit Oktober 2008 Umgänge der Kindesmutter mit L. in einer Einrichtung des Jugendamtes beaufsichtigt stattfinden.
Gegen die ihrem damaligen Verfahrensbevollmächtigten am 12.8.2008 zugestellte Entscheidung des AG Zehdenick vom 8.7.2008 hat die Kindesmutter mit am 21.8.2008 eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt. Sie ist der Ansicht, aufgrund ihrer Inhaftierung sei lediglich das Ruhen der elterlichen Sorge auszusprechen. Dies gelte umso mehr, als zu ihrer Erziehungsfähigkeit bislang Feststellungen nicht getroffen worden seien.
Die Verfahrenspflegerin hat sich mit Schriftsatz vom 17.9.2008 der Rechtsauffassung der Kindesmutter angeschlossen.
II. Die befristete Beschwerde der Kindesmutter ist gem. §§ 621e, 621 Abs. 1 Nr. 1, 517 ff. ZPO zulässig und begründet. Die Entziehung des Sorgerechts für L. ist derzeit nicht geboten; ausreichende Feststellungen, die eine derartige Entziehung r...