Leitsatz
Das OLG Saarbrücken hat sich in dieser Entscheidung ausführlich und detailliert mit den Anforderungen an die Gestaltung eines Eilverfahrens zur elterlichen Sorge auseinandergesetzt und dabei insbesondere das Erfordernis der Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden Aufklärungs- und Prüfungsmöglichkeiten thematisiert.
Sachverhalt
Die Antragsgegnerin war die Mutter des betroffenen Kindes S., dessen Vater nicht feststand. S. lebte seit seiner Inobhutnahme durch das Jugendamt in einer Pflegefamilie. Aus einer früheren Beziehung der Antragsgegnerin war eine Tochter S. C. hervorgegangen, die seit August 2006 nicht mehr bei der Mutter lebte. Die Kindesmutter stand in der Vergangenheit mehrfach unter Betreuung.
Das Jugendamt hatte einen Antrag nach § 1666 BGB gestellt, dem sich der Verfahrensbeistand angeschlossen hat, die Mutter indessen entgegengetreten ist.
Das Familiengericht hat die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Frage angeordnet, ob und ggf. unter welchen Umständen die Mutter in der Lage sei, S. zu sich zu nehmen und in eigener Verantwortung zu erziehen. Das Gutachten war noch nicht erstattet worden.
Durch den - nach mündlicher Anhörung - angefochtenen Beschluss hat das FamG im Wege einstweiliger Anordnung der Mutter die elterliche Sorge für S. entzogen und diese auf das Jugendamt als Vormund übertragen.
Hiergegen wandte sich die Mutter mit ihrer Beschwerde, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses erstrebte.
Ihr Rechtsmittel blieb ohne Erfolg.
Entscheidung
Nach Auffassung des OLG hatte das FamG zu Recht der Mutter die elterliche Sorge für S. nach §§ 1666 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 Nr. 6, 1666a Abs. 1 und Abs. 2 BGB vorläufig vollständig entzogen.
Nach diesen Vorschriften könne das Familiengericht den Sorgeberechtigten das Sorgerecht teilweise oder vollständig entziehen, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet werde und die Eltern nicht gewillt oder in der Lage seien, die Gefahr abzuwenden.
Bei der Beurteilung, ob und wenn ja welche Maßnahmen nach §§ 1666, 1666a BGB erforderlich seien, sei der besondere Schutz zu beachten, unter dem die Familie sowohl nach dem Grundgesetz, als auch nach der Europäischen Menschenrechtskonvention stehe.
Eine Trennung des Kindes von seiner Familie gegen den Willen der Sorgeberechtigten sei nur zulässig, wenn das elterliche Fehlverhalten ein solches Ausmaß erreicht habe, dass das Kind bei einem Verbleiben in der oder einer Rückkehr in die Familie in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet werde.
Wenn Eltern das Sorgerecht für ihre Kinder entzogen und damit zugleich die Trennung der Kinder von ihnen gesichert oder ermöglicht werde, dürfe dies zudem nur unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen. Dieser gebiete es, dass Art und Ausmaß des staatlichen Eingriffs sich nach dem Grund des Versagens der Eltern und danach bestimmen müssten, was im Interesse des Kindes geboten sei.
Das gerichtliche Verfahren müsse in seiner Ausgestaltung dem Gebot effektiven Grundrechtsschutzes entsprechen. Dies gelte insbesondere für einstweilige Maßnahmen, die bereits dadurch, dass sie später nicht oder nur schwer rückgängig zu machende Tatsachen schaffen würden, mit einem erheblichen Eingriff in die Grundrechte verbunden seien. Gerade in kindschaftsrechtlichen Eilverfahren seien daher Eingriffe in das elterliche Sorgerecht einzelfallbezogen in besonderem Maße einer Prüfung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu unterziehen.
Die Entscheidung des Familiengerichts halte den strengen verfassungs- und einfachrechtlichen Maßstäben stand.
Soweit die Mutter das Fehlen der Voraussetzungen der §§ 1666 Abs. 1 bis 3, 1666a BGB rüge, dringe sie hiermit vor dem Hintergrund ihres aus den Akten und Beiakten ersichtlichen Werdeganges in den letzten Jahren nicht durch.
Aus den beigezogenen Akten des die Mutter betreffenden Betreuungsverfahrens ergebe sich eine paranoid-halluzinatorische Schizophrenie und eine Cannabis-induzierte Psychose.
Diese Diagnose habe sich im daraufhin vom Vormundschaftsgericht eingeholten Sachverständigengutachten bestätigt.
Vor dem Hintergrund der aus den Akten ersichtlichen Vorkommnisse, die die Mutter im tatsächlichen nicht ansatzweise in Abrede gestellt habe, und in Ansehung des im vorliegenden einstweiligen Anordnungsverfahren zulegenden Prüfungsmaßstabes, bestehe eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Sohn S., überließe man ihn der Mutter, in seinem körperlichen und seelischen Wohl intensiv gefährdet wäre.
Angesichts der hohen Impulsivität und Gewaltbereitschaft der Mutter sei bei einer Rückführung des Sohnes in ihren Haushalt zu befürchten, dass sie in Belastungssituationen, die geradezu typischerweise bei der Erziehung von Kindern aufträten, die Beherrschung verliere und den Sohn S. aus Überforderung verletze.
Aus den aus der Akte ersichtlichen Gründen könne auch bei der einfach- wie verfassungsrechtlich angezeigten strikten Prüfung der Verhältnismäßi...