Alexander Steinmetz, Rocío García Alcázar
Rz. 62
Weist ein erbrechtlicher Sachverhalt also keinen Auslandsbezug auf, so wird das für einen rein innerspanischen Nachlassfall maßgebliche Erbrecht nach Maßgabe des spanischen interregionalen Kollisionsrechts berufen. Die EuErbVO bestimmt nach Art. 38 ausdrücklich, dass sie bei Mehrrechtsstaaten auf innerstaatliche Kollisionen keine Anwendung findet.
Rz. 63
Im Anwendungsbereich der EuErbVO verdrängen ihre Kollisionsnormen Art. 9.8 CC. Bei internationalen Erbfällen stellt sich hingegen die weitere Frage, ob die EuErbVO über die Anwendbarkeit spanischen Rechts hinaus auch die Bestimmung der maßgeblichen Teilrechtsordnung regelt. Eine solche Verweisung der europäischen Kollisionsnormen unmittelbar auf das Recht einer Teilrechtsordnung würde man aus spanischer Sicht als "direkte Verweisung" (remisión directa) bezeichnen. Demgegenüber beschränkt sich die EuErbVO bei Annahme einer "indirekten Verweisung" (remisión indirecta) darauf, auf das Recht des Mitgliedstaates zu verweisen, und es bleibt dem spanischen interregionalen Erbkollisionsrecht überlassen, die Teilrechtsordnung Spaniens zu bestimmen, die letztlich das Erbstatut ausfüllt.
Rz. 64
Der Verordnungsentwurf sah in Art. 28 noch ausschließlich eine "direkte Verweisung" vor. Hiernach hätte sich der Anwendungsbereich der interregionalen Kollisionsnormen Spaniens ausschließlich auf innerspanische Nachlässe ohne Auslandsbezug beschränkt (Art. 38 EuErbVO). Bei internationalen Erbfällen wäre – auch für Nachlässe nach spanischen Staatsangehörigen – das Recht der maßgeblichen Teilrechtsordnung unmittelbar durch europäisches Kollisionsrecht berufen worden. In der Verordnung ist hingegen der Grundsatz der Vorrangigkeit der mitgliedstaatlichen Kollisionsvorschriften zur Regelung des interregionalen Normenkonflikts in Art. 36 Abs. 1 EuErbVO verankert worden.
Rz. 65
Verweist die EuErbVO also auf spanisches Recht, bestimmt sich die maßgebliche Teilrechtsordnung deshalb grundsätzlich vorrangig nach spanischem interregionalem Kollisionsrecht. Nur in Ermangelung mitgliedstaatlicher Vorschriften zur Regelung des interregionalen Normenkonflikts ist nach Art. 36 Abs. 2 EuErbVO die direkte Verweisung auf das Recht einer Teilrechtsordnung vorgesehen. Da das spanische Recht Vorschriften zur Regelung des interregionalen Normenkonflikts bereithält, greift der Mechanismus der "indirekten Verweisung": Die EuErbVO verweist auf spanisches Recht. Gemäß Art. 36 Abs. 1 EuErbVO ist das Recht der maßgeblichen spanischen Teilrechtsordnung sodann nach spanischem interregionalem Recht zu bestimmen (vgl. Rdn 68 ff.). Umstritten ist, ob dies auch für ausländische Staatsangehörige gilt (vgl. Rdn 83 ff.).
Rz. 66
Die in der Praxis einflussreiche Aufsichtsbehörde für Register und Notariate (DGRN) vertritt die Auffassung, dass die indirekte Verweisung bei Erbfällen nach ausländischen Staatsangehörigen (mangels bürgerlich-rechtlicher Gebietszugehörigkeit) nicht in Betracht kommt. Vielmehr soll in derartigen Erbfällen die maßgebliche spanische Teilrechtsordnung direkt nach Art. 36 Abs. 2 EuErbVO berufen sein. Inzwischen liegt auch erste obergerichtliche Rechtsprechung vor, die bei ausländischen Staatsangehörigen von einer direkten Verweisung auf die betreffende spanische Teilrechtsordnung ausgeht.
Rz. 67
Zur Frage der Wählbarkeit einer spanischen Teilrechtsordnung durch spanische Staatsangehörige siehe die Ausführungen in Rdn 76 ff.