Rz. 11

Zunächst findet sich in Art. 12 (1) CC die ausdrückliche Regel, dass die Qualifikation zur Bestimmung der anwendbaren Kollisionsnormen immer nach spanischem Recht geschieht (lex fori-Qualifikation). Das Erbstatut selbst regelt den erbrechtlichen Bereich in seiner Breite. So entscheidet es insbesondere über die Erbfähigkeit, die Erbschaftsannahme, die Ausschlagung und den Erbverzicht sowie über den Kreis der gesetzlichen Erben,[15] während vom Anwendungsbereich des Erbstatuts die Erbfähigkeit[16] sowie die Geschäftsfähigkeit zur Vornahme der Ausschlagung oder des Verzichts ausgenommen sind und sich nach Art. 9.1 CC (bzw. die Form nach Art. 11 CC) beurteilen.[17] Das Erbstatut bestimmt auch den Umfang des Nachlasses und die Höhe der Erbquoten. Zudem entscheidet das Erbstatut darüber, in welchem Umfang die Erben für Nachlassverbindlichkeiten haften, über die Rechte und Pflichten der Miterben, die Rechtsverhältnisse der Erbengemeinschaft und der Erbauseinandersetzung, die Pflichtteilsrechte einschließlich der Bestimmung des Kreises der Berechtigten wie auch über die Testamentsvollstreckung. Dagegen richtet sich die Frage, ob der Erblasser testierfähig war, nach dessen Heimatrecht im Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung. Die Bestimmung der Verwandtschaftsverhältnisse der möglichen Erben richtet sich nach deren jeweiligem Personalstatut.

 

Rz. 12

Für Rechte, die kraft Gesetzes dem überlebenden Ehegatten zustehen, gilt nach Art. 9.8 a.E. CC jedoch das Ehewirkungsstatut, allerdings nur, soweit dadurch nicht Noterbteile der Abkömmlinge betroffen sind. Insoweit gilt also: Das Ehewirkungsstatut i.S.v. Art. 9.2 CC (siehe Rdn 14) bestimmt das Erbstatut. Da es bei unterschiedlichem Erb- und Ehewirkungsstatut zu (Gesetzes-)Kollisionen kommen kann, hat der spanische Gesetzgeber die entsprechende Kollisionsnorm in Art. 9.8 S. 3 CC unmittelbar an die Regelung des Erbstatuts angehängt. Dieser Regelung kommt durchaus Überraschungscharakter zu und bedarf deshalb einer eingehenden Erläuterung. Ihr Zweck ist es, "Angleichungsprobleme zwischen Erb- und Güterstatut zu vermeiden".[18]

 

Rz. 13

Gemäß Art. 9.8 S. 3 CC gilt für die "Rechte, die kraft Gesetzes dem überlebenden Ehegatten zugewiesen werden, das Recht, welches die Ehewirkungen regelt". Dies bedeutet ein Abgehen von dem Prinzip, dass die Staatsangehörigkeit das Erbstatut bestimmt (Art. 9.8 S. 1 CC), und von dem Grundsatz der kollisionsrechtlichen Nachlasseinheit; vielmehr ist für einen Teilbereich (das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht) das hiervon abweichende Recht der Ehewirkungen gem. Art. 9.2 und 9.3 CC (im Ergebnis das Güterstatut) maßgeblich.[19] Es tritt insoweit eine "subjektive Nachlassspaltung" ein.[20] Insbesondere die Aufsichtsbehörde für Register und Notariate (Dirección General de los Registros y del Notariado) hatte in der Vergangenheit wiederholt versucht, den Anwendungsbereich des Art. 9.8 S. 3 CC restriktiv auf Fragen des Ehewirkungsrechts zurückzudrängen, um hierdurch eine Nachlassspaltung zu vermeiden.[21] Der Tribunal Supremo (fortan: TS, Oberster Gerichtshof) hat mit seinem Urteil vom 28.4.2014 (rec. 2105/2011) diesen nun seit langer Zeit schwelenden Streit zugunsten einer dem Wortlaut und dem Gesetzeszweck treuen Auslegung von Art. 9.8 S. 3 CC entschieden:[22] Die gesetzlichen Rechte des Ehegatten (gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht) beurteilen sich nach dem Recht der Ehewirkungen (Art. 9.2 CC), so dass insoweit dieses Recht das Erbstatut ausfüllt, während sich das Erbrecht im Übrigen – für die weiteren Nachlassbeteiligten – nach dem Recht der Staatsangehörigkeit des Erblassers bestimmt. Der freilich noch immer (für den Fall eines interregionalen Normenkonflikts) erhobenen Gegenauffassung[23] wurde durch eine weitere Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der Boden entzogen.[24]

 

Rz. 14

Das auf die Ehewirkungen anwendbare Recht ist in Art. 9.2 CC normiert und auf den Zeitpunkt bei Eheschließung oder unmittelbar danach fixiert (siehe auch Rdn 41 f.). Bei fehlendem gemeinsamen Heimatrecht der Eheleute gilt das von den Eheleuten durch vor der Eheschließung errichtete öffentliche Urkunde gewählte Recht eines Staates, dem einer von ihnen angehört oder in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Hilfsweise und bei nicht erfolgter Wahl wird an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt unmittelbar nach der Eheschließung angeknüpft und bei dessen Fehlen an den Ort der Eheschließung.

 

Rz. 15

Ein vom Erbstatut abweichendes Ehewirkungsstatut kann im Hinblick auf die spanische Mehrrechtsordnung (vgl. Rdn 55 f.) nicht nur international, sondern auch interregional bestehen. Artikel 9.8 S. 3 CC gilt deshalb nicht nur für den Fall, dass der spanische Ehepartner beispielsweise mit einer Deutschen die Ehe eingegangen ist und sich die Ehewirkungen nach deutschem Recht richten, sondern auch bei Eheschließung zwischen einem Katalanen mit einer Andalusierin. In beiden Fällen lautet zwingend die Vorfrage: Ist das Ehewirkungsstatut identisch mit dem Erb...

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