Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Normenkette
§ 14 Nr. 1 WEG, § 15 Abs. 3 WEG, § 22 Abs. 1 WEG, § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG, § 242 BGB, § 1004 BGB
Kommentar
1. Eigentumsanwärter hatten noch in der Bauerstellungsphase durch Beschluss den damaligen Alleineigentümer beauftragt, Sondernutzungsrechte an den Spitzböden zugunsten darunterliegender Dachwohnungen in Zusammenarbeit mit dem Notar zu begründen und auch die Kosten- und Lastenverteilung in der Gemeinschaftsordnung neu zu regeln. Ist der Auftrag vollständig ausgeführt und sind die Kosten der Durchführung geregelt, sodass kein weiteres Tätigwerden des Verwalters mehr in Betracht kommt, tritt Hauptsacheerledigung im Beschlussanfechtungsverfahren ein. Selbst bei festgestellter Ungültigkeit des Beschlusses dürfte der Verwalter nicht erneut tätig werden. Wird nach Eintritt einer Hauptsacheerledigung eine Beschlussanfechtung nicht auf die Kosten beschränkt, hat Verwerfung der Beschwerde zu erfolgen.
2. Eine Gebrauchsregelung widerspricht i.Ü. dem Interesse der Gesamtheit der Eigentümer nach billigem Ermessen, wenn damit eine Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums untersagt werden soll, zu deren Duldung sämtliche Wohnungseigentümer aufgrund kaufvertraglicher Absprachen verpflichtet sind. Die Spitzböden sind nach wie vor Gemeinschaftseigentum. Allerdings hängt die Frage des Umfangs und des Gebrauchs dieser gemeinschaftlichen Räume vom Bestimmungszweck ab. Ein solcher Bestimmungszweck kann sich auch aus den Umständen ergeben, sodass sich an gemeinschaftlichen Sachen aus der Natur der Sache heraus auch eine alleinige, abgesonderte Nutzungsberechtigung für einzelne Miteigentümer ergeben kann. Die Alleinnutzung der Spitzboden durch die Eigentümer darunterliegender Wohnungen ist vorliegend anzunehmen, da bereits im Baustadium der Wohnanlage keine Zugangsmöglichkeit von gemeinschaftlichen Treppenhäusern in diese Räume geschaffen worden sei (Betretung nur durch die darunterliegenden Wohnungen). Überdies hatten im vorliegenden Fall in den Kaufverträgen die restlichen Eigentümer auf gemeinschaftliche Nutzungsbefugnisse verzichtet. Aufgrund der Zuordnung dieser Spitzbodenräume zu den Wohnungen sei auch die Auslegung vertretbar, dass eine Nutzung dieser Räume auch zu Wohnzwecken zulässig sei.
3. Müssen also die Eigentümer diese Nutzung der Spitzbodenräume zu Wohnzwecken dulden, müssen sie auch Ausbaumaßnahmen zur Erreichung dieses Zwecks hinnehmen (in den Grenzen des § 14 WEG, auch unter Berücksichtigung einer Interessenabwägung nach Treu und Glauben, § 242 BGB).
Vorliegend seien durch zusätzlichen Fenstereinbau auch das äußere Erscheinungsbild der Anlage und der ästhetische Gesamteindruck nicht beeinträchtigt. Gleiches gelte für innenliegende Wendeltreppen und die Entfernung von Zwischendecken ohne Stabilitätsgefährdungen. Beseitigungsansprüche der restlichen Eigentümer seien deshalb nicht gegeben, zumal sich Eigentümer kaufvertraglich mit den Ausbaumaßnahmen einverstanden erklärt hätten, auch mit Wirkung gegenüber Rechtsnachfolgern ( § 328 BGB). Eine Änderung des Kostenverteilungsschlüssels aus Billigkeitsgründen komme vorliegend ebenfalls nicht in Betracht.
4. Von baulicher Veränderung könne i. ü. nach ständiger Rechtsprechung des BayObLG bei Änderungsmaßnahmen in der Bauerstellungsphase nicht gesprochen werden. Aber auch ein Anspruch auf erstmalige ordnungsgemäße Herstellung setze ein Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer voraus, welches billigem Ermessen entspreche (hier zu verneinen aufgrund der kaufvertraglichen Verpflichtungen der restlichen Eigentümer und aufgrund zu verneinender Nachteilswirkungen).
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 09.06.1989, BReg 1 b Z 11/88= WE 4/1990, 142)
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer
Anmerkung:
1. Diese ausführlich begründete Entscheidung des Senats läßt eine gewisse "Liberalisierungstendenz" i. S. derzeit häufig aktueller nachträglicher Speicherausbauten und Nutzungen zu Wohnzwecken erkennen - bezogen auf diesen besonderen Sachverhalt. Bisher ging die Rechtsprechung des Senats (ohne dass dort allerdings Fälle kaufvertraglicher Vereinbarungen eine entscheidende Rolle spielten) von "Mehrbeeinträchtigungen" bei Wohnraumnutzung von Speicherräumen aus. Rechtsnachfolger müssen sich sicher ohne verbindliche vertragliche Absprachen insoweit Nutzungsänderungen nach wie vor nicht gefallen lassen. Oftmals werden im Einzelfall sicher auch behördliche Auflagen (zu Zwecken einer Wohnraumnutzung in Speicherräumen) als zivilrechtliche bauliche Veränderungen nachteilige Eingriffe in das Gemeinschaftseigentum darstellen, die von anderen Eigentümern nicht duldungspflichtig hingenommen werden müssen (vgl. hier zu Recht OLG Düsseldorf, Entscheidung v. 12.12.1988, 3 Wx 455/88und BayObLG, Entscheidung v. 09.06.1988, BReg 2 Z 40/88). [vgl. u.a. auch BayObLG v. 30.03.1989, WE 4/1990, 134; v. 30.06.1989, WE 5/1990, 176; KG Berlin, Entscheidung v. 10.01.1990, 24 ...