Leitsatz
Wer einen Kollegen einschaltet, um zum Zwecke des Arbeitszeitbetrugs an eigener Stelle die Stempeluhr zu bedienen, beschädigt das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber so schwer, dass die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses ohne vorherige Abmahnung gerechtfertigt ist.
Sachverhalt
Gekündigt wurde einem Erzieher, der bei einem Verband arbeitete. Dort wurde die Arbeitszeit durch eine Stempeluhr erfasst, die bei Beginn und Ende der Arbeitszeit sowie für Pausen betätigt werden muss. Der Arbeitgeber schöpfte Verdacht, weil die Stempeleintragungen des Erziehers und eines Arbeitskollegen häufig identisch waren und ließ die Stempeluhr durch einen Vorgesetzten beobachten. Der stellte fest, dass der Kollege des Erziehers morgens nicht nur seine eigene Stempelkarte, sondern auch die des Erziehers abstempelte, der selbst erst eine Stunde später zur Arbeit erschien. Zunächst bestritten beide den Vorwurf des Stempeluhr-Missbrauchs, räumten ihn später aber ein. Daraufhin wurde das Arbeitsverhältnis mit dem Erzieher fristlos gekündigt. Mit seiner gegen die Kündigung gerichteten Klage machte der geltend, er habe sich vor Betätigung der Stempeluhr schon auf dem Betriebsgelände befunden, habe dann aber noch Brötchen für eine Dienstbesprechung besorgen müssen. Zur Vermeidung eines Umwegs habe er seinen Kollegen per Handy gebeten, auch seine Karte abzustempeln. Dies sei ein einmaliger Vorfall gewesen, der allenfalls eine Kündigung nach einer Abmahnung rechtfertige.
Das BAG befand, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis wirksam aus wichtigem Grund gemäß § 626 Abs. 1 BGB außerordentlich gekündigt hatte. Manipulationen an der Stempeluhr stellen regelmäßig einen schweren Vertrauensmissbrauch dar, weil sich der Arbeitgeber beim Einsatz eines Zeiterfassungssystems auf die Redlichkeit der Arbeitnehmer verlassen müsse. Noch gravierender sei es, wenn der Arbeitnehmer einen anderen Arbeitnehmer veranlasse, an seiner Stelle die Stempeluhr zu betätigen. Erschwerend kam hinzu, das der Gekündigte bei der ersten Anhörung und wohl auch im Prozess nicht immer die Wahrheit gesagt hatte und der Verdacht bestand, dass es sich nicht um einen einmaligen Vorfall gehandelt hatte. Der Pflichtverstoß war alles in allem so gravierend, das eine Abmahnung im Sinne einer letzten Chance nicht erforderlich war.
Link zur Entscheidung
BAG, Urteil v. 24.11.2005, 2 AZR 39/05.