Sachverhalt
Bei dem slowakischen Verfahren ging es u.a. um die Auslegung von Art. 2, 3 und 10 der 6. EG-Richtlinie. Streitig war die Steuerbarkeit einer Lieferung von Gegenständen, die zuvor aus einem Drittstaat (Ukraine) eingeführt und in ein Zolllager überführt wurden. Nach der Lieferung der im Zolllager befindlichen Waren wurden diese wiederum in ein Zolllagerverfahren überführt. Fraglich war, ob ein öffentliches Zolllager als Teil des Gemeinschaftsgebiets anzusehen ist, ob die Unterwerfung unter ein Zolllagerverfahren eine Steuerumgehung darstellen kann, ob die Unterwerfung unter ein Zolllagerverfahren den Tatbestand von Art. 10 Abs. 2 (Zeitpunkt der Steuerentstehung nach dem Leistungszeitpunkt) oder den Tatbestand von Art. 10 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie (Zeitpunkt der Steuerentstehung nach der Einfuhr) erfüllt und ob die Nichtbesteuerung der Lieferung den Zielen der 6. EG-Richtlinie und der WTO entspricht.
In den Jahren 2005 und 2006 legte die Klägerin in ein von ihr betriebenes öffentliches Zolllager in der Slowakischen Republik von ihr aus der Ukraine eingeführte Stahlhalbfabrikate (warmgewalzte Rollen) ein. Diese Waren wurden anschließend in das Zolllagerverfahren nach Art. 98 ZK überführt. Die Klägerin überführte die warmgewalzten Rollen anschließend in den aktiven Veredelungsverkehr nach dem Nichterhebungsverfahren im Sinne von Art. 114 ZK, um sie zu Formstahl zu verarbeiten. Anschließend verkaufte die Klägerin den Formstahl an einen slowakischen Abnehmer und gab auf den Rechnungen ihre USt-IdNr. und die des Abnehmers an, stellte jedoch für die Lieferung keine MwSt in Rechnung. Die Lieferung erfolgte, ohne dass die Gegenstände physisch das Zolllager verließen. Nach der Lieferung wurden die Gegenstände erneut in das Zolllagerverfahren überführt.
Die slowakische Finanzbehörde kam zu dem Ergebnis, dass die Klägerin durch den Verkauf des Stahls an den slowakischen Abnehmer, auch wenn der Stahl sich zum Zeitpunkt der Lieferung in einem Zolllager befunden habe, eine steuerbare und steuerpflichtige Lieferung im Inland ausgeführt habe.
Das Vorlagegericht wollte u.a. wissen, ob auf die Lieferung einer Ware , die sich in einem Zolllager befindet und nach der Lieferung wieder in ein Zolllagerverfahren bzw. nicht in den freien Verkehr überführt wird, stets und nur das Zollrecht Anwendung oder ob sich die Rechtslage durch den Verkauf so geändert hat, dass eine solche Lieferung der 6. EG-Richtlinie unterliegt. Das Vorlagegericht wollte somit wissen, ob für die Zwecke des MwSt-Systems ein öffentliches Zolllager, das im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats belegen ist, als Teil des Gemeinschaftsgebiets nach Art. 3 der 6. EG-Richtlinie (jetzt Art. 5 ff MwStsystRL) angesehen werden kann der Verkauf solcher Waren der MwSt unterliegt und, falls dies zu bejahen ist, worin der Steuertatbestand (Lieferung oder Einfuhr) besteht.
Entscheidung
Der EuGH hat entschieden, da die betreffenden Drittlandswaren zunächst in das Zolllagerverfahren eines Mitgliedstaats, dann in den aktiven Veredelungsverkehr nach dem Nichterhebungsverfahren überführt und anschließend verkauft wurden, bevor sie in demselben Mitgliedstaat wieder in das Zolllagerverfahren überführt wurden, vom Zeitpunkt ihrer Verbringung in die Gemeinschaft an den beiden Regelungen nach Art. 16 Abs. 1 Teil B Buchst. c der 6. EG-Richtlinie (jetzt Art. 156 Abs. 1 Buchst. c und d MwStSystRL) unterlagen. Somit lag, obwohl die Waren in die Union gelangten, keine Einfuhr vor. Der Umstand, dass die Waren die Zollverfahren gewechselt hatten, lässt sie nicht zu eingeführten Waren werden, denn beide Zollverfahren werden von Art. 7 Abs. 3 (jetzt Art. 61 MwStSystRL) der 6. EG-Richtlinie erfasst. Somit war eine steuerbare Einfuhr im Sinne von Art. 2 Nr. 2 der 6. EG-Richtlinie (jetzt Art. 2 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL) nicht anzunehmen. Nach dem Urteil lag allerdings eine steuerbare Lieferung nach Art. 5 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie (jetzt Art. 14 MwStSystRL) vor. Der Lieferort lag im Inland, weil nach dem Urteil dort belegene private oder öffentliche Zolllager nicht vom Inlandsbegriff nach Art. 3 der 6. EG-Richtlinie ausgeschlossen sind. Außerdem weist der EuGH darauf hin, dass es für die Steuerbarkeit einer Lieferung keinen Unterschied macht, ob es sich um Gemeinschaftswaren oder wie im Vorlagefall um Drittlandswaren handelt.
Schließlich weist der EuGH auf Art. 16 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie (jetzt Art. 154 ff MwStSystRL) hin. Danach können die Mitgliedstaaten die Lieferungen von Gegenständen, die einer Zolllagerregelung oder einer Regelung für den aktiven Veredelungsverkehr unterliegen, oder die Lieferungen, die an den in Art. 16 Abs. 1 Teil B Buchst. a bis d der 6. EG-Richtlinie (jetzt Art. 156 Abs. 1 Buchst. a bis d i.V.m. Art. 155 MwStSystRL) aufgeführten Orten unter Wahrung eines dieser Sachverhalte bewirkt werden, von der MwSt befreien, wenn die Lieferungen nicht für eine endgültige Verwendung oder einen Endverbrauch bestimmt sind und wenn der beim Verlassen der Zollregelung geschulde...