Kommentar
Streitgegenstand war die Frage, was unter gewerkschaftlichen Zielen i.S. des Artikels 13 Teil A Abs. 1 Buchst. l der 6. EG-Richtlinie zu verstehen ist. Es ging darum, ob dieser Begriff eher weit oder eingeschränkt in Bezug auf gewerkschaftliche Ziele im engeren Sinne zu verstehen ist.
Die Frage stellte sich für eine britische Personenvereinigung im Kraftfahrzeugeinzelhandelsgewerbe, die die Verbesserung des Arbeitsstandards ihrer Mitglieder, ihrer Laufbahnstrukturen und die Steigerung des öffentlichen Ansehens des Kfz-Gewerbes bezweckt. Ein wesentlicher Tätigkeitsbereich der Vereinigung ist auch, daß sie an ihre Mitglieder eigene berufliche Befähigungsnachweise im Ingenieurwesen verleiht.
Das Vorlagegericht wies auf Unterschiede in den Sprachfassungen der 6. EG-Richtlinie hin. Während die englische Fassung für die gewerkschaftlichen Ziele von dem Begriff „trade-union” ausgehe, verwende die französische Sprachfassung den Begriff „objectif de nature syndicale”. Der Begriff „Syndikat” habe eine sehr viel weitergehende Bedeutung als der spezielle Begriff „trade-union”.
Nach der Entscheidung reicht zwar der französische Begriff weiter als der englische. Die Steuerbefreiungen nach Artikel 13 der Richtlinie sind aber eng auszulegen. Deshalb muß eine Einrichtung die Ziele „de nature syndicale” verfolgt, auch die Vertretung der gemeinsamen Interessen der Mitglieder der Einrichtung gegenüber betroffenen Dritten einschließlich staatlicher Stellen übernehmen. Es genügt nicht eine reine Interessensförderung. Die Einzelfallentscheidung überläßt der EuGH dem Vorlagegericht.
Das Urteil hat für das deutsche Umsatzsteuerrecht keine Bedeutung. Das UStG kennt keine Befreiungsvorschrift, die der Steuerbefreiung nach Artikel 13 Teil A Abs. 1 Buchst. l der 6. EG-Richtlinie entspräche. Nach der Richtlinienvorschrift sind Dienstleistungen und eng damit verbundene Lieferungen steuerbefreit, die Einrichtungen ohne Gewinnstreben, welche politische, gewerkschaftliche, religiöse, patriotische, weltanschauliche, philanthropische oder staatsbürgerliche Ziele verfolgen, ihren Mitgliedern in deren gemeinsamen Interesse gegen einen satzungsgemäß festgelegten Beitrag erbringen. Die Befreiung darf nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führen.
Die Vorschrift enthält also eine Steuerbefreiung für Mitgliederbeiträge. Sie hängt davon ab, daß sie nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führt. Außerdem kann sie nach Artikel 13 Teil A Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie von besonderen Bedingungen abhängig gemacht werden.
Nach deutschem Umsatzsteuerrecht werden sog. echte Mitgliederbeiträge nicht als Entgelt für eine bestimmte Leistung angesehen. Es fehlt daher an einem Leistungsaustausch der jeweiligen Vereinigung mit dem einzelnen Mitglied (vgl. Abschnitt 4 Abs. 1 UStR). Das deutsche Recht geht hiervon nicht nur bei den Vereinigungen im Sinne des Artikels 13 Teil A Abs. 1 Buchst. l der 6. EG-Richtlinie, sondern auch bei allen anderen Vereinen aus, die echte Mitgliederbeiträge erheben (z.B. Sportvereine, Kunstvereine usw.).
Dieser Ansatz, bei echten Mitgliederbeiträgen fehlt es an einem Leistungsaustausch, weil die Vereinigung zur Erfüllung ihrer den Belangen aller Mitglieder dienenden satzungsgemäßen Zwecken tätig wird, entspricht Artikel 2 Nr. 1 der 6. EG-Richtlinie , wonach nur Lieferungen und Dienstleistungen gegen Entgelt der Mehrwertsteuer unterliegen.
Die Regelung in Artikel 13 Teil A Abs. 1 Buchst. l der 6. EG-Richtlinie und damit auch die EuGH-Entscheidung sind nur für die Mitgliedstaaten relevant, die Mitgliederbeiträge als Gegenleistung für entsprechende Leistungen der jeweiligen Vereinigung ansehen. Diesen Ansatz verfolgt z.B. Großbritannien. In Anhang (Schedule) 9 zum britischen Mehrwertsteuergesetz sind Dienstleistungen von Einrichtungen gegen Mitgliederbeiträge von der Umsatzsteuer befreit.
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil vom 12.11.1998, C-149/97