Sachverhalt
Bei dem niederländischen Verfahren ging es um die Grunderwerbsteuerpflicht bzw. Umsatzsteuerbefreiung für einen Gebäudeerwerb. Der Kläger erwarb im Jahr 2004 Sondereigentum an Geschäftsräumen in einer Einkaufspassage (Gebäude). Unmittelbar vor diesem Erwerb waren im Auftrag und für Rechnung des Verkäufers verschiedene Umbauarbeiten am Gebäude durchgeführt worden. Diese hatten zumindest aus einzelnen Abbrucharbeiten bestanden. Die Arbeiten wurden nach dem Erwerbszeitpunkt im Auftrag und für Rechnung des Klägers fortgesetzt. Infolge dieser Umbauarbeiten des Verkäufers und des Klägers entstand ein neues Gebäude; unbebauter Grund und Boden entstand dabei nicht. Der Kläger war der Auffassung, dass für den Erwerb des Gebäudes gemäß Art. 15 Abs. 1 Buchst. a der Wet op belastingen rechtsverkeer (Verkehrsteuergesetz) keine Verkehrsteuer geschuldet werde. An ihn sei die Lieferung eines Gebäudes vor dem Erstbezug im Sinne von Art. 11 Abs. 1 Buchst. a Nr. 1 i.Vm. Art. 11 Abs. 3 Buchst. b der Wet op de omzetbelasting 1968 (UStG 1968) bewirkt worden, und diese sei mehrwertsteuerpflichtig. Das Finanzamt vertrat die Ansicht, dass der Kläger für den Erwerb des Gebäudes Verkehrsteuer schulde, weil die Lieferung des Gebäudes umsatzsteuerfrei gewesen sei.
Streitig war, wie Art. 4 Abs. 3 Buchst. a der 6. EG-Richtlinie (jetzt Art. 12 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL) auszulegen ist. Gemäß Art. 13 Teil B Buchst. g der 6. EG-Richtlinie (jetzt Art. 135 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL) sind die Lieferungen von Gebäuden oder Gebäudeteilen und des dazugehörigen Grund und Bodens, mit Ausnahme der in Art. 4 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie genannten Gegenstände, steuerfrei. Somit ist die Lieferung eines Gebäudes und des dazugehörigen Grund und Bodens vor seinem Erstbezug steuerpflichtig. Die Mitgliedstaaten können jedoch auch spätere Lieferungen als besteuerte Lieferungen ansehen, sofern der Zeitraum auf höchstens zwei Jahre beschränkt ist. Die Mitgliedstaaten können auch ein anderes Kriterium als das des Erstbezugs - z. B. den Zeitraum zwischen der Fertigstellung des Gebäudes und dem Zeitpunkt seiner ersten Lieferung, wobei dieser Zeitraum nicht länger sein darf als fünf Jahre - bestimmen. Hieraus schien für das Vorlagegericht zu folgen, dass die Mitgliedstaaten vorsehen müssen, dass jede Lieferung eines Gebäudes vor dessen Erstbezug oder Fertigstellung steuerpflichtig ist, wobei es den Mitgliedstaaten freistehe, den "Steuerzeitraum" um eine gewisse Zeit zu verlängern. Das Vorlagegericht war sich unschlüssig, ob es den Mitgliedstaaten auch freisteht, den Zeitpunkt der ersten Lieferung eines Gebäudes und des dazugehörigen Grunds und Bodens im Sinne von Art. 4 Abs. 3 Buchst. a der 6. EG-Richtlinie zu bestimmen. Fraglich sei, welcher Zeitpunkt als solcher zu gelten hat bzw. ob das neue Gebäude zum Zeitpunkt der Lieferung fertiggestellt sein muss oder ob jede Lieferung in der Phase des Umbaus des Gebäudes eine Lieferung im Sinne von Art. 4 Abs. 3 Buchst. a der. 6. EG-Richtlinie (jetzt Art. 12 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL) ist.
Die Auslegung von Art. 4 Abs. 3 Buchst. a der 6. EG-Richtlinie war bereits Gegenstand der EuGH-Rechtssache C-461/08 (Don Bosco Onroerend Goed). Während es damals um die Lieferung eines bebauten Grundstücks ging, mit dessen Abriss der Verkäufer schon vor der Übergabe begonnen hatte, handelte es sich im vorliegenden Verfahren um einen grundlegenden Umbau eines Gebäudes vor und nach dem Erwerb, der zur Entstehung eines neuen Gebäudes führte. In der Rechtssache C-461/08 (Don Bosco Onroerend Goed) hatte sich der Verkäufer, obwohl er ein bebautes Grundstück geliefert hatte, dem Käufer gegenüber u. a. dazu verpflichtet, für den Abriss zu sorgen, so dass der EuGH feststellte, dass ein baureifes Grundstück geliefert worden sei und die Prüfung der Frage, ob ein solcher Umsatz, der nicht unter Art. 4 Abs. 3 Buchst. a der 6. EG-Richtlinie fallen konnte, jedoch als Lieferung eines Baugrundstücks unter Art. 4 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie fällt, Sache des nationalen Gerichts ist.
Nach Auffassung der niederländischen Regierung ist, solange der letzte Stein nicht entfernt worden ist, die Lieferung einer aus einem Grundstück und einem teilweise abgerissenen Gebäude bestehenden Immobilie als Lieferung eines bestehenden Gebäudes anzusehen, die steuerfrei ist. Eine steuerpflichtige Lieferung eines Neubaus vor Erstbezug betreffe erst nach Grundsteinlegung ein neues Gebäude. Nach dem vorliegenden Sachverhalt seien aber am alten Gebäude vor seiner Lieferung erst teilweise Abrissarbeiten durchgeführt worden, ohne dass mit dem Bau des neuen Gebäudes begonnen worden sei, so dass ein steuerfreier Grundstücksumsatz vorliege, da er die Lieferung eines bestehenden Gebäudes betreffe.
Entscheidung
Der EuGH hat entschieden, dass die Lieferung eines Gebäudes in einem Fall, in dem der Verkäufer zum Zeitpunkt der Lieferung nur einen Teil der Abrissarbeiten am alten Gebäude durchgeführt hat, das überdies noch teilweise genutzt wird, während die eigentlic...