Sachverhalt
Bei den verbundenen niederländischen Verfahren ging es um die Auslegung der Art. 143 Abs. 1 Buchst. a und Art. 140 Buchst. a und b MwStSystRL, wonach der innergemeinschaftliche Erwerb und die Einfuhr von Gegenständen steuerfrei ist, wenn deren Inlandslieferung in jedem Fall steuerfrei ist. Konkret geht es um die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb von Zahnersatz.
Für die Lieferungen von Zahnersatz durch Zahnärzte und Zahntechniker sieht Art. 132 Abs. 1 Buchst. e MwStSystRL eine Steuerbefreiung vor. Nach Art. 370 i.V.m. Anhang X Teil A Nr. 1 MwStSystRL können die Mitgliedstaaten eine (am 1.1.1978 geltende) Steuerpflicht dieser Lieferungen allerdings beibehalten. Hiervon macht Deutschland Gebrauch.
In der Rs. C-144/13 handelt die Klägerin handelt mit Zahnersatz. Sie lässt auf Bestellung von innerhalb und außerhalb der Niederlande niedergelassenen Zahnärzten Zahnersatz durch außerhalb der Niederlande - sowohl innerhalb als auch außerhalb der EU - niedergelassene zahntechnische Labors herstellen. Bei ihrer Umsatzsteuerklärung für das erste Quartal des Jahres 2006 ging die Klägerin für die in diesem Zeitraum in den Niederlanden erfolgten Lieferungen von Zahnersatz davon aus, dass diese Lieferungen nach Art. 11 Abs. 1 Buchst. g Nr. 1 NL-MwStG steuerfrei sind. Ferner hatte die Klägerin die Umsatzsteuer, die ihr im Zusammenhang mit den in den Niederlanden durchgeführten Lieferungen von Zahnersatz in Rechnung gestellt wurde, als Vorsteuer abgezogen. Sie ging davon aus, dass sie aufgrund des Art. 17 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie das Recht auf Vorsteuerabzug habe, wobei sie sich auch auf das EuGH-Urteil v. 14.12.2006, C-401/05 (VDP Dental Laboratory NV) stützte. Die niederländische Finanzbehörde war der Ansicht, dass die Klägerin nach Art. 15 Abs. 2 NL-MwStG kein Recht auf Vorsteuerabzug habe.
In der Rs. C-154/13 betreibt die Klägerin eine Zahnarztpraxis und tätigt steuerfreie Umsätze nach Art. 11 Abs. 1 Buchst. g Nr. 1 NL-MwStG. Während des fraglichen Zeitraums (1.1.2008 bis 30.9.2008) kaufte die Klägerin Zahnersatz von einem in Deutschland ansässigen Zahntechniker. Der Zahnersatz wurde von Deutschland aus an sie geliefert. Der deutsche Lieferant stellte ihr für die Lieferungen des Zahnersatzes keine MwSt in Rechnung. Die Klägerin führte hinsichtlich des erhaltenen Zahnersatzes keine MwSt für den innergemeinschaftlichen Erwerb ab. Die niederländische Finanzbehörde ging von der Steuerpflicht des innergemeinschaftlichen Erwerbs aus. Bei der Auslegung der Wendung "in jedem Fall" im Sinne von Art. 17e NL-MwStG i.V.m. Art. 140 Buchst. a MwStSystRL müsse berücksichtigt werden, dass einer der Mitgliedstaaten von der Möglichkeit des Art. 370 MwStSystRL (Deutschland) Gebrauch gemacht habe, die Lieferung der genannten Erzeugnisse während eines Übergangszeitraums weiterhin zu besteuern.
In der Rs. C-160/13 verkauft die Klägerin, eine Zahntechnikerin, Zahnersatz an zahntechnische Labore in den Niederlanden. Der Zahnersatz wird im Auftrag der Klägerin in Schweden durch ihre Muttergesellschaft A AB gefertigt, die ebenfalls Zahntechnikerin ist. Die A AB liefert den Zahnersatz gegen Zahlung eines vereinbarten Entgelts an die Klägerin. Nach seiner Versendung in die Niederlande wird der Zahnersatz von der Klägerin an das jeweilige zahntechnische Labor geliefert, das die Bestellung aufgegeben hat. Im fraglichen Zeitraum (Dezember 2008) stellte die A AB der Klägerin für die Lieferung des Zahnersatzes keine MwSt in Rechnung. Die Klägerin führte für diese Lieferungen MwSt auf innergemeinschaftlichen Erwerb ab. Sie legte gegen ihre Voranmeldung Einspruch ein. Dabei vertrat sie den Standpunkt, dass sie nach Art. 17e Buchst. a NL-MwStG und Art. 140 Buchst. a MwStSystRL keine MwSt für den innergemeinschaftlichen Erwerb schulde.
Die niederländische Finanzbehörde machte geltend, dass der innergemeinschaftliche Erwerb nicht befreit sei, da die Lieferung von Zahnersatz im Inland nicht "in jedem Fall" im Sinne von Art. 140 Buchst. a und b MwStSystRL befreit sei. Die Wendung "in jedem Fall" bedeute, dass die betreffende Lieferung oder Dienstleistung allgemein ohne weitere Voraussetzungen befreit sei. Dies sei nicht erfüllt, da Art. 11 Abs. 1 Buchst. g Nr. 1 der NL-MwStG und Art. 132 Abs. 1 Buchst. e MwStSystRL die Anwendung der Befreiung auf bestimmte Lieferungen von Zahnersatz beschränkten, nämlich Lieferungen von Steuerpflichtigen, die Zahnärzte oder Zahntechniker seien. Nach Art. 11 Abs. 1 Buchst. g Nr. 1 NL-MwStG sind unter den durch Verordnung festzulegenden Voraussetzungen (inländische) Lieferungen von Zahnersatz durch Zahnärzte und Zahntechniker steuerbefreit. Diese Bestimmung beruht auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. e MwStSystRL.
Entscheidung
Das vorlegende Gericht fragte den EuGH zu der Voraussetzung, dass eine Lieferung im Inland "in jedem Fall" steuerfrei sein muss, ob der innergemeinschaftliche Erwerb und die Einfuhr von Zahnersatz der Steuerbefreiung nach Art. 140 Buchst. a und b MwStSystRL bzw. nach Art. 143 Buchst. a MwStSystR...