Dipl.-Finanzwirt Arthur Röck
Leitsatz
Der Finanzverwaltung eines Mitgliedstaats ist es nach EU-Recht verwehrt, die Umsatzsteuerbefreiung einer tatsächlich ausgeführten innergemeinschaftlichen Lieferung allein mit der Begründung zu versagen, der Nachweis einer solchen Lieferung sei nicht rechtzeitig erbracht worden.
Sachverhalt
Ein deutscher Pkw-Händler verkaufte vom Hersteller angekaufte Pkws an einen belgischen Händler. Wegen des Gebietsschutzes verkaufte er die Pkws zur "Verschleierung" pro-forma an einen deutschen Strohmann, der dann umsatzsteuerfrei an den belgischen Händler "weiterberechnete". Das Finanzamt ging von direkten Lieferungen des Pkw-Händlers an den belgischen Händler aus. Die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung versagte es allein deswegen, weil der erforderliche Buchnachweis im Zeitpunkt der Lieferung nicht erfolgt war. Die aufgrund der Betriebsprüfung erfolgte Umbuchung auf das Konto "Innergemeinschaftliche Lieferung" ließ das Finanzamt nicht mehr als Buchnachweis zu, da dies nicht zeitnah war.
Nach der bisheriger BFH-Rechtsprechung muss der Buchnachweis als materiell-rechtliche Voraussetzung der Steuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen laufend und unmittelbar nach Ausführung der Lieferung vorgenommen werden. Dies gilt nach Auffassung der Verwaltung auch entsprechend für den Nachweis innergemeinschaftlicher Lieferungen. Aufgrund einer Vorlage des BFH hat der EuGH dies nun als nicht vereinbar mit dem EU-Recht angesehen, da dies den Grundsatz der Rechtssicherheit verletzt. Danach muss es dem Lieferer bei tatsächlich ausgeführten innergemeinschaftlichen Lieferungen erlaubt sein, auch einige Zeit danach noch Korrekturen in der Buchführung aufgrund von ihm nicht zu vertretenden Umständen anzubringen.
Der Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer verlangt die Gewährung der Steuerbefreiung, wenn die materiellen Voraussetzungen dafür vorliegen, auch wenn bestimmte formelle Verpflichtungen (noch) nicht erfüllt sind. Ein Verstoß gegen formelle Verpflichtungen kann nur entscheidend sein, wenn dadurch der sichere Nachweis verhindert würde, dass die materiellen Voraussetzungen der Steuerbefreiung vorliegen. Dass der Steuerpflichtige zunächst bewusst das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung verschleierte, wäre nur zu berücksichtigen, wenn eine Gefährdung des Steueraufkommens besteht und diese vom Steuerpflichtigen nicht vollständig beseitigt worden ist.
Hinweis
Nach dem EuGH-Urteil dürfte der Buchnachweis des § 17c UStDV nicht (mehr) zu den materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen gehören. Materiell nachzuweisen hat der Lieferer jedoch weiterhin z. B. das tatsächlicheGelangen der Gegenstände in den Bestimmungsmitgliedstaat bzw. dass der Abnehmer Unternehmer ist (§ 17a UStDV). Das BFH-Urteil zum Vorlagefall bleibt allerdings noch abzuwarten.
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil v. 27.9.2007, Rs. C-146/05.