Leitsatz
Hat der Steuerberater beim Mandanten durch Übersendung einer Abschrift eines auftragswidrig nicht eingelegten Einspruchs den Eindruck erweckt, dass der von ihm anzufechtende Steuerbescheid nicht bestandskräftig sei, kann er sich nicht auf die Einrede der Verjährung berufen.
Sachverhalt
Eine Grundstücks-GBR hatte ein Grundstück verkauft und eine Steuerberatungsgesellschaft (S-GmbH) beauftragt, gegen den Feststellungsbescheid mit einem Veräußerungsgewinn von 190.718 EUR vom 5.3.2003 Einspruch einzulegen. Die S-GmbH schickte der GbR eine Abschrift des Einspruchsschreibens, in dem die Verfassungswidrigkeit der Besteuerung des Spekulationsgewinns (aufgrund des StEntlG 1999/2000/2001) moniert und Aussetzung der Vollziehung beantragt wurde. Der Einspruch wurde aber tatsächlich von der S-GmbH nicht eingelegt. Somit wurde der Feststellungsbescheid bestandskräftig.
Im Mai bzw. Juli 2003 ergingen gegen die beiden Gesellschafter der Grundstücks GbR die jeweiligen Einkommensteuerbescheide unter Berücksichtigung des hohen Veräußerungsgewinns.
Die S-GmbH informierte die beiden Gesellschafter am 14.7.2003 dann wahrheitswidrig, dass der Feststellungsbescheid nach einem BMF-Schreiben vorläufig sei.
Den Antrag der S-GmbH auf Aufnahme des Vorläufigkeitsvermerks im Feststellungsbescheid lehnte das Finanzamt im August 2003 wegen dessen Bestandkraft ab. Diesen Bescheid leitete die S-GmbH an die Mandanten nicht weiter.
Ende 2003 wurde die Steuerberatungsgesellschaft S beendet. Eine ehemalige Angestellte (A) der S gründete mit einem weiteren Steuerberater eine neue Gesellschaft (G). S hatte die Übernahme aller Mandate durch G angezeigt; die Akten der GbR und deren Gesellschafter wurden durch G übernommen. In der Folgezeit wurde den Mandanten von G bzw. deren Mitarbeiterin Z auf Anfragen immer wieder mitgeteilt, dass die Entscheidung des BVerfG ausstehe. Im Juli 2010 wurde das StEntlG für verfassungswidrig erklärt.
Als die betroffenen Mandanten im November 2010 von der 1. Pflichtverletzung (fehlende Einlegung des Einspruchs gegen den Feststellungsbescheid) des S Kenntnis erlangt hatten, haben sie gegen S am 13.5.2011 und am 10.10.2011 auch gegen A und G Zahlungsklage erhoben.
LG und OLG Hamm wiesen die Klage auf Schadensersatz i.H.d. jeweils gegen die Kläger festgesetzten Einkommensteuer wegen Verjährung ab (§ 68 StBerG a.F.).
S kann sich wegen § 242 BGB (Verstoß gegen Treu und Glauben) nicht auf die Verjährung berufen. Es reicht aus, dass der Schuldner durch sein Verhalten objektiv – sei es auch unabsichtlich – bewirkt, dass die Klage nicht rechtzeitig erhoben wird, und die spätere Verjährungseinrede unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls mit dem Gebot von Treu und Glauben unvereinbar wäre. Insoweit ist ein strenger Maßstab anzulegen. Laut Sachverhalt fällt dem S objektiv ein besonders grober Verstoß gegen Treu und Glauben zur Last.
S muss sich gem. § 278BGB auch die irreführenden Auskünfte zurechnen lassen, die G in den folgenden Jahren durch die von der S übernommenen Mitarbeiterin Z den Klägern erteilt hat.
Der BGH geht auch von einem Steuerberatungsvertrag zwischen G und den Klägern aus (Mandatsübergang in 2004 und Auskunft der Mitarbeiterin Z der G). Pflichtwidrig hat der Kläger die Akte nach Übergang nicht auf Handlungsbedarf geprüft. Auch G ist es grundsätzlich verwehrt, sich auf Verjährung zu berufen. Zur Kausalität zwischen der Pflichtverletzung der G und dem Schaden der Kläger haben Letztere aber (bisher) nicht ausreichend vorgetragen.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil v. 14.11.2013, IX ZR 215/12.