Zusammenfassung
Bei der Mandatsbearbeitung im Erbrecht fragen Mandanten immer nach der Höhe der anfallenden Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer. Aber auch Umsatzsteuer und Einkommensteuer können relevant sein. Hat der Kollege steuerliche Probleme erkannt, wird er seinen Mandanten an einen Steuerberater verweisen oder eine dauerhafte Kooperation mit einem Steuerberater in Erwägung ziehen, auch wenn er selbst gem. § 3 Satz 1 Nr. 1 StBerG zur unbeschränkten Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist. Der Beitrag erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und kann komplexe Sachverhalte lediglich "umreißen". Zum 1.7.2016 trat mit dem Gesetz zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts v. 4.11.2016 (BGBl 2016 I S. 2464) eine grundlegend überarbeitete und erweiterte Regelung für die erbschaft- und schenkungsteuerliche Behandlung von Betriebsvermögen in Kraft. Auf die erbschaft- / schenkungsteuerrechtlichen Regeln zur Betriebsvermögensverschonung wird aufgrund der Komplexität nicht eingegangen. Der Anwalt sollte seinen Mandanten vermitteln, dass für diejenigen, deren Privatvermögen im Wesentlichen aus einem üblichen Ein- oder Zwei-Familienhaus und den normalen Geldreserven für das Alter z. B. für eine Unterkunft in einem betreuten Wohnheim besteht, die Erbschaftsteuer für ihren Ehepartner bzw. Nachkommen angesichts hoher Freibeträge oft kein relevantes Thema ist und daher nicht Motiv für vorschnelle Übertragungen sein darf. Zu beachten sind aber die Änderungen im Bewertungsgesetz zur Bewertung des Grundvermögens im Ertrags- und Sachwertverfahren sowie zur Bewertung der Sonderfälle und die Verordnung über die Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von Immobilien und der für die Wertermittlung erforderlichen Daten (Immobilienwertermittlungsverordnung) aufgrund des JStG 2022 v. 16.12.2022 (BGBl 2022 I S. 2294) für Bewertungsstichtage nach dem 31.12.2022. Siehe hierzu: Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur Anwendung der Vorschriften für die Bewertung des Grundvermögens im 6. Abschnitt des Zweiten Teils des Bewertungsgesetzes v. 20.3.2023 (BStBl 2023 I S. 738). Der Steuerpflichtige kann aber den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts nach § 198 BewG erbringen. Siehe dazu: Gleich lautende Erlasse betr. Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts; Anwendung des § 198 BewG in der Fassung des Grundsteuerreform-Umsetzungsgesetzes v. 16.7.2021 (BGBl 2021 I S. 2931). Die Bewertung für Grundvermögen für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer ist seit dem 1.1.2023 sehr komplex! Die Zusammenarbeit des Anwalts mit einem Steuerberater ist ratsam!
1 Grundlagen der Erbschaftsteuer im Erbfall
1.1 Steuerpflichtige Vorgänge und steuerpflichtiger Erwerb
Die steuerpflichtigen Vorgänge sind abschließend geregelt. Relevant sind vor allem der Erwerb von Todes wegen (Erbanfall, Vermächtnis und geltend gemachter Pflichtteilsanspruch). Für die Erbschaftsteuer ist der Vermögensanfall aber nur relevant, wenn und soweit er sich für den Empfänger wirtschaftlich günstig auswirkt, ihm also einen Vermögensvorteil (zahlen-/wertmäßige Bereicherung) unentgeltlich verschafft. Bereichert ist der Erbe immer, wenn er schuldenfreies Vermögen erhält, z. B. Bargeld, Schmuck, unbelastetes Grundvermögen, Gemälde. Der Umfang der Bereicherung richtet sich grundsätzlich nach dem tatsächlichen Wert der Vermögensgegenstände, die der Erbe erhält.
Sachverständigenkosten zur Ermittlung des Grundstückswerts als Nachlassverbindlichkeit
Die Aufwendungen für die Erstellung eines Sachverständigengutachtens zum Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks sind als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig, wenn sie in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Erwerb von Todes wegen anfallen.
Erbschaftsteuer fällt für den gesamten Erwerb aus In- und Ausland aus dem Nachlass des inländischen Erblassers und für alle Erwerbe von Inländern an, die von einem ausländischen Erblasser/Schenker stammen und, wenn weder Erblasser noch Erwerber Inländer sind, auf das im Inland befindliche Vermögen i. S. v. § 121 BewG.
Durch Doppelbesteuerungsabkommen auf dem Gebiet der Erbschaftsteuer soll vermieden werden, dass Nachlassvermögen von Erblassern in mehreren Staaten der Erbschaftsteuer unterliegt.
Die Steuer entsteht bei Erwerben von Todes wegen mit dem Tod des Erblassers, bei Abfindungen für den Verzicht auf den entstandenen Pflichtteilsanspruch oder für die Ausschlagung der Erbschaft oder eines Vermächtnisses mit dem Zeitpunkt des Verzichts oder der Ausschlagung.
Nach § 169 Abs. 1 Satz 1 AO sind eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist, die für die Erbschaftsteuer regelmäßig 4 Jahre beträgt (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO). Nach § 170 Abs. 5 Nr. 1 AO beginnt für die Erbschaftsteuer die Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 1 oder Abs. 2 AO bei einem Erwerb von Todes wegen nicht vor Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Erwerber Kenntnis von dem Erwerb ...