Sachverhalt
Bei dem polnischen Vorabentscheidungsersuchen ging es um die Frage, ob in dem Fall, dass ein Arbeitnehmer eines Unternehmers ohne Wissen und Zustimmung dieses Steuerpflichtigen eine falsche Mehrwertsteuerrechnung ausgestellt hat, im Licht von Art. 203 MwStSystRL als diejenige Person, die die MwSt in der Rechnung ausweist und somit zur Entrichtung der MwSt verpflichtet ist, der Steuerpflichtige anzusehen ist, dessen Angaben unrechtmäßig in der Rechnung verwendet wurden, oder der Arbeitnehmer, der in der Rechnung unter Verwendung der Angaben des Steuerpflichtigen, der sein Arbeitgeber ist, unrechtmäßig die MwSt ausgewiesen hat, also um Fragen der Risikohaftung eines Unternehmers.
Art. 203 MwStSystRL regelt: "Die Mehrwertsteuer wird von jeder Person geschuldet, die diese Steuer in einer Rechnung ausweist." Die Klägerin, eine Gesellschaft P sp. z o. o. (P) war in den Jahren 2001-2015 im Bereich des Treibstoffhandels, der Bauträgerschaft, des Verlagswesens sowie der Vermietung von Gewerbeflächen tätig. Sie führte eine vollständige Buchführung, war als Mehrwertsteuerzahler angemeldet und beschäftigte durchschnittlich 14 Arbeitnehmer und eine Person als freien Mitarbeiter.
Eine Prüfung des polnischen Finanzamts ergab, dass P im Zeitraum von Januar 2010 bis April 2014 1 679 falsche Mehrwertsteuerrechnungen mit einem ausgewiesenen Mehrwertsteuerbetrag i. H. v. insgesamt rd. 1,5 Mio. PLN (sog. "leere" Rechnungen, die keinen tatsächlichen Verkauf von Waren widerspiegelten) an Unternehmen ausgestellt hatte, die die in den Rechnungen ausgewiesene MwSt beim Vorsteuerabzug geltend machten. Diese falschen Rechnungen wurden nicht ins Verkaufsregister der P gebucht. Die ausgewiesene MwSt wurde weder an die Staatskasse abgeführt, noch von P erklärt.
Die Ausstellung der falschen Rechnungen stand im Zusammenhang mit dem tatsächlichen Verkauf von Treibstoff an einer Tankstelle, der von P in Kassen registriert wurde. Zu diesem Zweck wurden an Kopien der falschen Rechnungen Zahlungsquittungen aus Verkäufen angehängt, die tatsächlich an andere Unternehmen als diejenigen getätigt wurden, die in den Rechnungen angegeben waren.
Der Geschäftsführer von P führte im Licht der Feststellungen der Steuerprüfung eigene Ermittlungen durch. Diese Ermittlungen ergaben, dass die sog. "leeren" Rechnungen ohne Wissen und Zustimmung der Geschäftsführung von einer Mitarbeiterin von P (M) ausgestellt und veräußert worden waren. M war als Leiterin einer Tankstelle von P vom November 2005 bis Mai 2014 beschäftigt, als ihr wegen Verletzung ihrer Arbeitspflichten gekündigt wurde. Zu ihren Arbeitspflichten gehörte die Bedienung der Registerkasse, das Ausstellen von Rechnungen sowie die Vorbereitung von Unterlagen für die Hauptbuchhaltung.
Nach den Einlassungen von M hat sie seit 2010 Gesamtrechnungen zu Zahlungsbelegen, die von den Mitarbeitern der von ihr geleiteten Tankstelle eingesammelt wurden, ausgestellt. Die Zahlungsbelege stammten aus dem Abfallkorb. Alle Mitarbeiter, die Zahlungsbelege einsammelten, haben hieraus finanzielle Vorteile gezogen. Zu jeder Rechnung wurden im Kesselraum nach dem Ausstellungsjahr sortierte Zahlungsbelege aufbewahrt. Hiermit sollte gewährleistet werden, dass die ausgestellten Rechnungen nicht "leer" waren, und P sollte durch dieses Prozedere keinen Schaden erleiden. Die falschen Rechnungen wurden auf einem Computer im Büro gespeichert (auf einer zugangsgesicherten Datei). M stellte diese Rechnungen in einem anderen Format als die rechtmäßigen aus, stets in Abwesenheit ihres Stellvertreters. Sie druckte keine Abschriften der Rechnungen aus, um kein "Papierarchiv" zu erstellen. Da diese Rechnungen zu Zahlungsbelegen erstellt wurden, leitete sie die Rechnungen nicht an die Buchhaltung weiter. Sie verwendete die Angaben von P, die sie als die Ausstellerin der Rechnungen angab, und benutzte hierbei die Steueridentifikationsnummer (NIP) von P. Auf den Rechnungen befinden sich die Unterschrift sowie der Stempel von M. Ab 2014 enthalten die Rechnungen lediglich eine Computerunterschrift und keinen Stempel. Alle beteiligten Mitarbeiter der Arbeitnehmerin erhielten finanzielle Vorteile. Die Mitarbeiter erhielten eine Vergütung entsprechend der Treibstoffmenge, die in den übergebenen und zur Ausstellung der falschen Rechnungen verwendeten Zahlungsbelegen ausgewiesen war.
Aufgrund der Feststellungen der Steuerprüfung setzte die polnische Finanzbehörde im Zusammenhang mit der Ausstellung der falschen Rechnungen gegen P eine Mehrwertsteuerverpflichtung für den Zeitraum von Januar 2010 bis April 2014 fest. Aufgrund des festgestellten Sachverhalts stellte die Finanzbehörde einvernehmlich und ohne Einwände der Parteien fest, dass mit den falschen Rechnungen Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen dokumentiert worden seien, die tatsächlich nicht stattgefunden hätten. Mit den Rechnungen sei die tatsächliche Durchführung von Geschäften simuliert worden, um eine Steuererstattung zu erschleichen. Die Behörde befand, dass der A...