Normenkette

§ 265 Abs. 2 S. 2 ZPO, § 20 Abs. 1 FGG, § 16 Abs. 2 WEG

 

Kommentar

a) Wird ein Beteiligter erst nach Rechtshängigkeit eines Verfahrens im Grundbuch als Eigentümer eingetragen, ist ein solcher Rechtsnachfolger analog § 265 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht berechtigt, ohne Zustimmung der übrigen Beteiligten als neuer Beteiligter in das vorliegende Verfahren einzutreten und Rechtsmittel einzulegen. Der Rechtsnachfolger ist zwar zur Einlegung der Rechtsbeschwerde befugt, da er durch die Verwerfung seiner Erstbeschwerde in seinen Rechten beeinträchtigt ist ( § 20 Abs. 1 FGG), die Rechtsbeschwerde ist jedoch nicht begründet, da das Landgericht die Erstbeschwerde zu Recht als unzulässig verworfen hat.

b) Es entspricht herrschender Rechtsmeinung (h.R.M.), dass im Fall unrichtiger Protokollierung eines Beschlussergebnisses auch im Verfahren nach § 43 WEG bei Aufklärbarkeit des Stimmverhaltens das richtige Beschlussergebnis, d.h. der wirklich gefasste Eigentümerbeschluss festgestellt werden kann (vgl. KG, RPfl. 79, 65 und OLG Hamm, OLG Z 79, 296); eine solche gerichtliche Feststellung des vom Protokoll abweichenden Beschlussergebnisses setzt aber eine wirksame Beschlussfassung voraus, deren Ergebnis im Protokoll lediglich unrichtig festgestellt worden ist.

c) Wird von der Versammlungsleitung (wie hier) zu bestimmten Tagesordnungspunkten - zu Unrecht - ein positiver Mehrheitsbeschluss erklärt (bei richtiger Annahme einer Beschluss- bzw. Antragsablehnung), ist es zu einer wirksamen Beschlussfassung gerade nicht gekommen. Vorliegend hat nämlich die Versammlungsleitung von vornherein zu Unrecht einige Eigentümer von der Abstimmung ausgeschlossen. Eine solche Verfahrensweise bei zu Unrecht erfolgtem Stimmrechtsausschluss führt lediglich zur Aufhebung der von den anderen Eigentümern gefassten und so verkündeten Mehrheitsbeschlüsse, nicht aber zur nachträglichen Feststellung eines anderen Beschlussinhalts.

d) Sind von einer Versammlungsleitung zu Unrecht Anträge als abgelehnt bezeichnet worden ("negative Beschlussfassung"), sind diese Feststellungen mangels eines Beschlusses nicht anfechtbar. Auch hier kann nicht die Feststellung eines anderen Beschlussergebnisses erstrebt werden.

e) Geschäftsordnungsbeschlüsse sind i.Ü. nicht anfechtbar, da sich ihre Wirksamkeit von selbst mit dem Ende der Versammlung erschöpft (vgl. schon BayObLG Z 1965, 35, 45).

f) Sind Eigentümer im Grundbuch eingetragen, besitzen sie auch Stimmrecht, sodass ein Versammlungsleiter das Stimmrecht nicht versagen kann unter Hinweis darauf, zur Veräußerung sei die erforderliche Verwalterzustimmung noch nicht erteilt worden. Abzustellen ist beim Stimmrecht allein auf den augenblicklichen Grundbuchinhalt, dessen Richtigkeit bis zur etwaigen Eintragung eines Amtswiderspruchs zu vermuten ist.

g) Das Stimmrecht von Eigentümern kann auch nicht wegen bestehender Wohngeldrückstände versagt werden, zumal vorliegend über einen Streit bestehender Zahlungsverpflichtungen noch nicht entschieden sei. Eine Verletzung der sich aus § 16 Abs. 2 WEG ergebenden Zahlungspflichten führe grundsätzlich nicht zur Beschränkung oder zum Wegfall eines Stimmausübungsrechts. Solche Einschränkungen wesentlicher Eigentümerrechte seien auf die eng begrenzten, gesetzlich vorgesehenen und gesetzlich zulässigen Ausnahmefälle zu beschränken (h.R.M.).

Fehlerhafte Ausschlüsse von Stimmrechten führen zur Ungültigkeit gefasster und als positiv verkündeter Mehrheitsbeschlüsse.

h) Im vorliegenden Fall wurden auch die Gerichtskosten aller drei Instanzen nicht einzelnen Beteiligten auferlegt, sondern dem Verwaltungsvermögen.

 

Link zur Entscheidung

( KG Berlin, Beschluss vom 17.05.1989, 24 W 5147/88)

zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer

Anmerkung:

Diese Entscheidung erscheint mir für die Verwalter- und Versammlungsleitungspraxis sehr lesenswert. Stellt ein Versammlungsleiter (zu Unrecht) die Ablehnung eines Antrages fest und/oder protokolliert er insoweit korrekt diese Feststellung oder protokolliert er andere Feststellungen als in der Versammlung geschehen, kann jeder Eigentümer gerichtlichen Feststellungsantrag stellen, dass in Wirklichkeit ein Mehrheitsbeschluss gefasst wurde bzw. dass ein Protokoll unrichtig ist.

Stellt demgegenüber ein Versammlungsleiter zu Unrecht einen positiven Mehrheitsbeschluss fest und protokolliert er dieses Ergebnis auch wahrheitsgemäß, kann und muss wohl ausschließlich Beschlussanfechtung erfolgen, wenn die Eigentümer mit diesem Verkündungsergebnis nicht einverstanden sind; über Anfechtung kann das Gericht dann nur die Ungültigkeit eines solchen Beschlusses feststellen. Antragsteller können hier nicht Feststellung eines anderen Beschlussergebnisses begehren (können also nur die Aufhebung dieses Beschlusses beantragen), weil ein Gericht selbst bei Ungültigkeit eines Beschlusses nicht wissen kann, wie z. B. zu Unrecht von der Abstimmung ausgeschlossene Eigentümer abgestimmt hätten. Bei zulässiger Abstimmung durch zu Unrecht ausgeschlossene Eigentümer hätte nämlich ein Meh...

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