Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 25 Abs. 3, 5 WEG
Kommentar
1. Bei der Feststellung der Beschlussfähigkeit einer Eigentümerversammlung (die vor jedem Abstimmungs- und Beschlusspunkt gegeben sein muss) sind auch die Stimmrechte der Eigentümer vertreten, die wegen Interessenkollision von der Stimmrechtsausübung zu einem konkreten Beschlusspunkt ausgeschlossen sind. Die entgegenstehende Ansicht des BayObLG unter Berufung auf Bärmann/Pick/Merle wird vom KG Berlin (in Fortführung der Rechtsprechung OLGZ 74, 419 = RPfl. 1974, 438 unter Hinweis auf Augustin) erneut nicht geteilt.
Die Gegenmeinung beruft sich insbesondere auf die Formulierung "Stimmberechtigung" in § 25 Abs. 3 und Abs. 5 WEG. Nach Ansicht des Senats ist die Stimmberechtigung jedoch im Sinne dieser Vorschrift dann gegeben, wenn der erschienene oder vertretene Eigentümer "im Allgemeinen stimmberechtigt" ist, wobei ein Stimmrechtsausschluss in bestimmten Punkten unschädlich ist.
2. Die Gründe für diese Gesetzesauslegung werden in der Entscheidung im Einzelnen dargelegt; insbesondere wird auf die Beschwerlichkeit notwendiger Wiederholungsversammlungen hingewiesen und auf den Schutzgedanken des § 25 Abs. 3 WEG (Vermeidung von Beschlussfassungen durch eine nicht repräsentative Eigentümerminderheit); dieser Schutzgedanke sei jedoch nicht verletzt, wenn Eigentümer erschienen oder vertreten, jedoch zu Einzelpunkten nicht stimmberechtigt seien.
Auch vom Stimmrecht ausgeschlossene Eigentümer könnten in der Versammlung verbleiben und durch Diskussionsbeiträge den Abstimmungsverlauf der stimmberechtigten Eigentümer beeinflussen.
3. Eine Vorlage zur grundsätzlichen Klärung dieser Frage an den BGH war im vorliegenden Fall jedoch nicht veranlasst, da die gefassten Beschlüsse auch inhaltlich zu beanstanden waren und aufgehoben werden mussten.
Link zur Entscheidung
( KG Berlin, Beschluss vom 16.09.1988, 24 W 3200/88, NJW-RR 1989, 17)
zu Gruppe 4: Wohnungseigentumsverwaltung
Anmerkung:
Die Entscheidung entspricht auch diesseits vertretener Auffassung. Es ist doch sehr umständlich und eigentümerseits kaum nachvollziehbarer Formalismus, hinsichtlich einzelner Beschlusspunkte eine neuerliche Wiederholungsversammlung einladen zu müssen, wenn sich zu einzelnen Punkten durch Stimmrechtsausschlüsse eine Beschlussunfähigkeit ergeben sollte. Die Praxis in Wohnungseigentümerversammlungen hat sich dergestalt entwickelt, über Geschäftsordnungsantrag und Beschluss Tagesordnungspunkte in der Reihenfolge der zu behandelnden Punkte zurückzustellen, bei denen Beschlussunfähigkeit offensichtlich wurde; nachfolgende Punkte mit (wieder) gegebener Beschlussfähigkeit wurden damit in der Reihenfolge der zu behandelnden Tagesordnung vorgezogen; eine Wiederholungsversammlung konnte allerdings nicht vermieden werden. Somit erscheint mir die neue Entscheidung des KG Berlin praxisfreundlich, auch wenn ihr derzeit immer noch die Rechtsprechung des BayObLG entgegensteht.
Ein bewusstes Entfernen einzelner Eigentümer aus dem Versammlungsraum zu bestimmten Beschlusspunkten (von mir als Herbeiführung einer Art "manipulierter Beschlussunfähigkeit" bezeichnet) kann allerdings nicht verhindert werden und wird im Ergebnis nach wie vor zu einem solchen TOP zu einer Wiederholungsversammlung führen müssen; erreicht wird damit allerdings allein eine gewisse Zeitverschiebung (die manchmal von einer Eigentümergruppe bezweckt ist, um ggf. durch zwischenzeitliche Rundschreiben Einfluss auf eine anstehende Beschlussfassung nehmen zu können).
Entgegen der Meinung des KG Berlin in einer anderen neuerlichen Entscheidung sollte allerdings m. E. eine solche Wiederholungsversammlung sehr kurzfristig vom Verwalter geladen werden, auch wenn hierfür keine gesetzlich zwingenden Bestimmungen vorhanden sind; eine Wiederholungsversammlung hängt sehr eng zeitlich und inhaltlich mit der geladenen Erstversammlung zusammen, aus der sich über Tagesordnungsbeschrieb die Notwendigkeit und manchmal sogar die Dringlichkeit bestimmter Beschlussfassungen ergibt.
[Vgl. auch BayObLG, Beschluss v. 10.05.1989, BReg 2 Z 23/88]