1 Leitsatz
Der Verwalter kann jedenfalls für eine "Übergangszeit" einen Wohnungseigentümer nach §§ 9b Abs. 1 Satz 1, 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG ermächtigen, gegen eine Störung des gemeinschaftlichen Eigentums vorzugehen.
2 Normenkette
§§ 9b Abs. 1 Satz 1, 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG
3 Das Problem
Wohnungseigentümer B betreibt im Erdgeschoss der Wohnungseigentumsanlage ein Restaurant. Er nutzt für die Bewirtung seiner Gäste u. a. eine Fläche, die im gemeinschaftlichen Eigentum steht. Im Sommer 2019 stellt B auf dieser Fläche Tische, Stühle und Sonnenschirme auf. Wohnungseigentümer K mahnt B insoweit ab. B habe eine gastronomische Nutzung der Fläche zu unterlassen. Es handele sich um eine Verkehrsfläche, um in das Restaurant zu gelangen. Im Sommer 2020 stellt B erneut Tische, Stühle und Sonnenschirme auf. Für eine Fläche vor dem gemeinschaftlichen Eigentum, welche die Wohnungseigentümer nutzen dürfen, die ihnen aber nicht gehört, liegt B eine Genehmigung der Stadt vor, solange Rechte Dritter dadurch nicht beeinträchtigt werden. B wirbt auf seiner Internetseite mit einer Außenterrasse. Am 11.2.2021 erklärt der Verwalter, er ermächtige Wohnungseigentümer K im Namen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, Ansprüche in Bezug auf das gemeinschaftliche Eigentum im eigenen Namen geltend zu machen. Ein entsprechender Beschluss besteht nicht. Aufgrund dieser Ermächtigung geht K gegen B auf Unterlassung vor. Er werde durch die Restaurantbesucher in seinem Sondereigentum gestört.
4 Die Entscheidung
Die Klage hat Erfolg! B störe durch sein Verhalten das gemeinschaftliche Eigentum. Zwar sei nach § 9a Abs. 2 WEG allein die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer berechtigt, Unterlassung einer Störung in Bezug auf das gemeinschaftliche Eigentum zu verlangen. K sei aber rückermächtigt worden, was zulässig sei (Hinweis u. a. auf Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kapitel 14 Rn. 191). Die Rückermächtigung stelle eine Ermächtigung dar, als Miteigentümer eigene Rechte im eigenen Namen geltend zu machen. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer sei bei der Ermächtigung vom Verwalter vertreten worden. Dem stehe nicht entgegen, dass der Ermächtigung kein Beschluss zugrunde gelegen habe. Grundsätzlich entscheide zwar die Versammlung als Willensbildungsorgan nach den §§ 19 Abs. 1, 18 Abs. 1 WEG über die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums und sei auch für die Rückermächtigung einzelner Wohnungseigentümer ein Beschluss notwendig (Hinweis u. a. auf Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kapitel 14 Rn. 191). Diesen habe es nicht gegeben, was K auch gewusst habe. Der Verwalter habe die Frage aber nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG entscheiden können.
Hinweis
- Wird K durch die von der Außenterrasse ausgehenden Erschütterungen/Gerüche/Geräusche in der Benutzung seines Sondereigentums gestört, ist er berechtigt, den störenden Wohnungseigentümer oder einen Drittnutzer auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen. Da K diese Störung behauptete, bedurfte er keiner Ermächtigung, wenn sich diese Behauptung als wahr herausstellt.
- Wird nur das gemeinschaftliche Eigentum durch die von der Außenterrasse ausgehenden Erschütterungen/Gerüche/Geräusche gestört, kann von Gesetzes wegen nach § 9a Abs. 2 WEG i. V. m. § 1004 Abs. 1 BGB oder § 14 Abs. 1 WEG nur die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegen den Störer vorgehen. Man kann aber fragen, ob die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer einen Wohnungseigentümer "rückermächtigen" kann (es ist eine Rückermächtigung, da der Wohnungseigentümer der Eigentümer ist, nicht die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer). Der BGH hat diese Möglichkeit zum alten Recht bejaht (BGH, Beschluss v. 17.3.2016, V ZR 185/15, NZM 2016 S. 363 Rn. 4; Emmerich, ZWE 2021, S. 193, 199). Daran dürfte sich nichts geändert haben (Elzer in Hügel, 5. Aufl., Wohnungseigentum, § 7 Rn. 100). Bei der Ermächtigung handelt es sich um ein Rechtsgeschäft. Bei diesem vertritt der Verwalter die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann aber selbst nur handeln, wenn dies vorher von den Wohnungseigentümern so beschlossen worden ist. Daran hat § 9a Abs. 2 WEG nichts geändert (Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform, Rn. 214b). Anders ist es nur, wenn der Verwalter die Entscheidung nach § 27 Abs. 1 WEG treffen kann. Ich selbst würde das verneinen. Die Entscheidung, einen Entstörungsanspruch nicht durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu verfolgen, ist nicht untergeordnet. Fazit: Der Verwalter sollte einen Wohnungseigentümer nicht ohne einen entsprechenden Beschluss ermächtigen.
Beschlussmuster: Ermächtigung zur Entstörung
Wohnungseigentümer ___ (Name/Adresse) wird ermächtigt, Wohnungseigentümer/Drittnutzer/Dritte wegen der Störung des gemeinschaftlichen Eigentums durch ____ außergerichtlich und/oder gerichtlich im eigenen Namen und auf eigene Kosten in Anspruch zu nehmen. Er kann von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer keinen Ersatz seiner Kosten/Aufwendungen verlangen. Ihm ist es nicht gestattet, sich mit dem Wohnungseigentümer/Drittnutzer/Dritten zu vergleichen.
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