1 Leitsatz
Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann einem Verwalter in einer Anfechtungsklage nach § 44 Abs. 1 Satz 1 WEG den Streit verkünden.
2 Normenkette
§§ 26, 44 Abs. 1 Satz 1 WEG; §§ 72, 74, 68 ZPO
3 Das Problem
Der Verwalter B erstellt einen Wirtschaftsplan, der Vorgaben der Gemeinschaftsordnung widerspricht. Denn diese schreibt bei den Kosten eine Trennung nach Wohnungs- und Teileigentum vor. Ein Beschluss nach § 28 Abs. 1 Satz 1 WEG wird aus diesem Grund vom AG rechtskräftig für ungültig erklärt. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer K hatte bereits vor dem AG-Urteil dem Verwalter mit einem Schriftsatz mit "Kurzrubrum" (= ein Rubrum ohne vollständige Namen und Adressen) im September 2021 den Streit verkündet. Fraglich ist, ob der Verwalter an diese Entscheidung gebunden ist.
4 Die Entscheidung
Das LG meint ja! Kraft Interventionswirkung gem. §§ 74 Abs. 3, 68 ZPO stehe aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung des AG im Anfechtungsverfahren fest, dass der von B erstellte Wirtschaftsplan im Widerspruch zur Gemeinschaftsordnung gestanden habe. Die Streitverkündung sei wirksam. Die Streitverkündungsschrift genüge den Anforderungen des § 73 ZPO, auch wenn sie nur ein "Kurzrubrum" geführt habe. Denn B habe die Parteien der Anfechtungsklage und sich selbst anhand des "Kurzrubrums" identifizieren können. B könne sich auch nicht damit entlasten, dass sein Fehler auf der Beratungsleistung des Rechtsanwalts X beruht habe. B müsse sich dessen Verschulden nach § 278 BGB zurechnen lassen, wenn er X in seinem Pflichtenkreis eingesetzt habe. K sei auch kein anspruchsverkürzendes Verschulden zuzurechnen. Aus der Nichteinlegung der Berufung durch K – trotz aus Sicht des B guter Erfolgsaussichten – könne kein Verschulden der K gegen sich selbst hergeleitet werden.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall hat die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer im Rahmen einer Anfechtungsklage dem Verwalter den Streit verkündet, um ihn an die Ergebnisse des Rechtsstreits zu binden. Konkret ging es darum, dass auch gegenüber dem Verwalter rechtskräftig feststeht, dass sein Tun im Zusammenhang mit dem Wirtschaftsplan pflichtwidrig war.
Probleme der Streitverkündung
Im Vordergrund des Falles steht ein eher "technisches" Problem, nämlich die Frage, ob die Streitverkündungsschrift der ZPO genügt hat. Mit solchen Fragen müssen sich die Verwaltungen nicht befassen, wenn sie einen Anwalt einschalten.
Was ist für die Verwaltungen besonders wichtig?
Der Fall behandelt eine grundsätzliche Frage, nämlich die, wie eine Verwaltung damit umgeht, dass ihr Verhalten zu einem formalen Beschlussmangel geführt hat mit der Folge, dass aufgrund dieses Mangels nach einer Anfechtungsklage der Beschluss für ungültig erklärt wird. Denn in vielen Fällen hat die Verwaltung solche formalen Mängel zu vertreten und schuldet daher wegen eines Verstoßes gegen ihre Pflichten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Schadensersatz. Ich selbst halte einen Vertrag der Verwaltung mit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, vertreten nach § 9b Abs. 2 WEG, für naheliegend, mit dem der Verwalter für den Fall, dass ein Beschluss wegen eines formalen Beschlussmangels für ungültig erklärt wird, den er zu vertreten hat, Schadensersatz verspricht. Im Übrigen ist zu überlegen, ob ein solcher Anspruch Gegenstand des Vermögensberichts sein muss.
6 Entscheidung
LG Stuttgart, Beschluss v. 1.8.2023, 19 S 13/23