Der Grunderwerbsteuer unterliegen auch Rechtsvorgänge, die es ohne Begründung eines Anspruchs auf Übereignung einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten, § 1 Abs. 2 GrEStG. Erfasst werden sollen solche Rechtsvorgänge "unterhalb der Ebene des Eigentümerwechsels, die einem anderen ohne Begründung eines Übereignungsanspruchs eine eigentümerähnliche Rechtsposition am Grundstück verschaffen" (Behrens in Behrens/Wachter, GrEStG, 2018, § 1 GrEStG Rn. 200). Gemeint ist die sog. Verwertungsbefugnis, die dem anderen im Innenverhältnis so weitgehende Möglichkeiten zur Einflussnahme hinsichtlich des Grundstücks einräumt, dass dieser und nicht mehr der Eigentümer über die Verwertung des Grundstücks entscheiden kann (vgl. BFH vom 20.04.2016, II R 54/14, BFH/NV 2016, 1231).

 
Praxis-Beispiel

Fallbeispiel 4

Eine deutsche GmbH ist zivilrechtliche Eigentümerin von inländischem Grundbesitz. Eine "Ein-Mann-Limited" mietet von der GmbH ein inländisches Grundstück über einen Leasingvertrag, dessen Laufzeit 20 Jahre beträgt und der ein jederzeitiges Ankaufsrecht vorsieht.

Lösung

Sollte die Limited die grunderwerbsteuerliche Verwertungsbefugnis nach § 1 Abs. 2 GrEStG aufgrund des Leasingvertrages mit dem jederzeitigen Ankaufsrecht haben, würde im Fall des Brexits diese auf den Alleingesellschafter der Limited übergehen und insoweit ein grunderwerbsteuerbarer Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2 GrEStG verwirklicht. Auch in diesem Fall findet der neu eingeführte § 4 Nr. 6 GrEStG Anwendung, der diesen Erwerbsvorgang steuerfrei stellt.

 
Hinweis

Praxishinweis

Die Beteiligten sollten auch in diesem Fall an die Anzeigepflicht des § 19 GrEStG denken.

Hat die Limited mindestens zwei Gesellschafter, führt der Vollzug des Brexits zum "Quasi-Formwechsel", sodass es aufgrund der Identitätswahrung zu keinem grunderwerbsteuerrelevanten Erwerbsvorgang kommt. Die Verwertungsbefugnis geht nicht über.

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