Unter dem Begriff Versandhandel werden im folgenden Abschnitt Sachverhalte verstanden, bei denen ein Lieferant grenzüberschreitend Waren verkauft und für deren Versand in den anderen Staat verantwortlich ist.
2.2.4.1 Von Deutschland nach Großbritannien
Wenn ein deutsches Unternehmen nach dem Austritt eine Ware aus Deutschland nach Großbritannien versendet, erfüllt dies zollrechtlich grundsätzlich den Tatbestand der Ausfuhr. Aus britischer Sicht ist zu prüfen, welche zollrechtlichen Vorschriften für die Wareneinfuhr gelten. Großbritannien sieht für kommerzielle Sendungen aus der EU keine Einfuhrabgabenbefreiungen bei geringem Wert (wie die aktuell in Deutschland bestehende, per 01.07.2021 außer Kraft tretende 22-EUR-Grenze) vor. Nur bis zum 31.12.2020 galt eine entsprechende Befreiung für Warensendungen aus Nicht-EU-Staaten und aus besonderen Gebieten der EU wie z. B. den Kanarischen Inseln mit einer Wertgrenze von 15 GBP, bei der die britischen Kanalinseln ausdrücklich ausgenommen waren.
Dies bedeutet, dass grundsätzlich britische Einfuhrabgaben (Einfuhrumsatzsteuer, ggf. Verbrauchsteuer) anfallen.
Eine Zollbelastung kann grundsätzlich nur eintreten, wenn die aus Deutschland versendete Ware ihre eigentliche Herkunft in einem nicht begünstigten Drittland hat (z. B. China). Wirtschaftlich führt eine eventuelle Belastung mit Zoll dazu, dass die Ware für den britischen Kunden entsprechend teurer wird. Die Belastung mit Einfuhrumsatzsteuer und Verbrauchsteuer ist grundsätzlich vor und nach dem Austritt aus der EU gegeben. Eine höhere Steuerlast ergibt sich jedoch, wenn eine Ware zollpflichtig ist. Da nämlich der Zollbetrag Teil der Bemessungsgrundlage für die Einfuhrumsatzsteuer ist, erhöht sich Letztere entsprechend.
In Großbritannien gilt für den Versandhandel eine grundsätzliche Zollbefreiung bis zu einer Wertgrenze von 135 GBP. Für entsprechende Sendungen ist i. d. R. der Verkäufer verpflichtet, sich mehrwertsteuerlich zu erfassen und britische Mehrwertsteuer zu berechnen. Für weitere Einzelheiten wird auf Teil H verwiesen.
Die Zollbefreiung gilt nicht für Warensendungen, die verbrauchsteuerpflichtige Waren (z. B. Alkohol, Tabak) enthalten.
Soweit Zoll anfällt, wäre dieser vom Lieferanten anzumelden und er müsste entscheiden, ob er diesen im Preis gegenüber dem Kunden abbildet. Insoweit müssten Verkaufspreise zollpflichtiger Waren bei Versand nach Großbritannien angehoben werden.
Praxishinweis
Versandhandel von Waren nach Großbritannien ist ab dem Brexit zollrechtlich relevant. Betroffene Unternehmen sollten zollrechtlich und zivilrechtlich klären, welche Pflichten sie haben und inwieweit Verträge zu ändern sind.
2.2.4.2 Aus Großbritannien nach Deutschland
Im Verhältnis zwischen Deutschland und Drittländern gelten zollrechtlich keine besonderen Vorschriften für den Versandhandel. Dies bedeutet, dass die allgemeinen Vorschriften des Zollrechts anzuwenden sind. Die Einfuhr von Waren aus Großbritannien in Deutschland ist grundsätzlich einfuhrabgabenpflichtig wie bereits beschrieben. Zu klären ist allerdings, wer Schuldner der Einfuhrabgaben ist. Für den Fall, dass der ausländische Lieferant der Einfuhrabgabenschuldner ist, muss dieser grundsätzlich einen indirekten Vertreter in Deutschland bestellen, da er als im Drittland Ansässiger selbst keine Zollanmeldungen mehr abgeben kann. In der Folge käme es umsatzsteuerlich zu einer Verlagerung des Orts seiner Lieferung nach Deutschland (§ 3 Abs. 8 UStG).
Bis zum 30.06.2021 greift für den Versandhandel aus Großbritannien nach Deutschland wie für alle Versandhandelsfälle aus Drittstaaten die Einfuhrabgabenbefreiung für Sendungen von geringem Wert. Bis zu einem Betrag von 22 EUR (einschließlich Versandkosten) entfällt sowohl der Einfuhrzoll als auch die Einfuhrumsatzsteuer. Die entsprechende Regelung wird aufgrund einer Änderung der relevanten Richtlinie der EU mit Wirkung zum 01.07.2021 ersatzlos gestrichen.
Bei Warensendungen mit einem Gesamtwert über 22 EUR bis 150 EUR (einschließlich Versandkosten) greift eine Zollbefreiung, sodass nur Einfuhrumsatzsteuer fällig wird. Dabei gilt weiterhin, dass auf die Zahlung einer Abgabe von weniger als 5 EUR verzichtet wird. Für weitere Veränderungen wird auf die Beschreibung im Teil H Umsatzsteuer hingewiesen.