2.1 Allgemeines

Art. 4 Abs. 1 des Protokolls[4] lautet: "Nordirland ist Teil des Zollgebiets des Vereinigten Königreichs."[5]

Art. 5 Abs. 4 des Protokolls verweist dann aber auf den Anhang 2 dieses Protokolls, der u. a. festlegt, dass folgende Regelungen in Nordirland anwendbar sind:

  • die Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 09.10.2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (UZK),[6]
  • die Verordnung (EG) Nr. 515/97 des Rates vom 13.03.1997 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten und die Zusammenarbeit dieser Behörden mit der Kommission im Hinblick auf die ordnungsgemäße Anwendung der Zoll- und der Agrarregelung[7] und
  • die Richtlinie 2010/24/EU des Rates vom 16.03.2010 über die Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen.[8]

Dieser Anhang führt auch die Verordnung über den Gemeinsamen Zolltarif, die Regelungen über allgemeine Zollpräferenzen, autonome Zollaussetzungen und Zollkontingente sowie die Handelsschutz-Verordnungen der Union auf. In Bezug auf Handelsschutzmaßnahmen hat die Kommission bekannt gegeben,[9] dass

  • einerseits solche Maßnahmen (z. B. Antidumpingzölle) auch auf Einfuhren in NI von außerhalb der EU anwendbar sind, einschließlich der Regelung über die Erstattung von Antidumpingzöllen nach Art. 11 Abs. 8 AntidumpingVO,
  • der Markt von NI nicht bei der Beantragung und Untersuchung von Schutzmaßnahmen berücksichtigt wird.

Der UZK und die zolltariflichen Regelungen der Union sind also in NI grundsätzlich anwendbar.

Der UZK ist also in NI anwendbar, was bedeutet, dass dieses Territorium in zollrechtlicher Hinsicht so behandelt wird, als wäre es Teil des Zollgebiets der Union (was im Widerspruch zu Art. 4 Abs. 1 des Protokolls zu stehen scheint). Allerdings legt das Protokoll dann wieder Ausnahmen von diesem Grundsatz fest, und zwar für Waren, die

  • unmittelbar aus Drittländern in NI eingeführt werden und
  • unmittelbar aus Großbritannien in NI eingeführt werden.
[4] Das NI-Protokoll ist Teil der Austrittsvereinbarung, die im ABl. EU L 29 vom 31.01.2020, 7, veröffentlicht ist; es ist auf S. 102 ff. dieses Amtsblatts zu finden. Anhang 2 des Protokolls mit der Liste der anwendbaren EU-Regelungen wurde bereits berichtigt und ergänzt (ABl. EU L 2 vom 06.01.2021, 8). Inzwischen sind weitere Neuregelungen erlassen worden, z. B. die Dual-Use-VO (ABl. EU L 206 vom 11.06.2021, 1).
[5] Diese – in den folgenden Absätzen von ihrer Bedeutung weitgehend entleerte – Formulierung mag auch dadurch beeinflusst worden sein, dass Section 55 des Taxation (Cross-border Trade) Act 2018 bestimmt: "It shall be unlawful for Her Majesty's Government to enter into arrangements under which Northern Ireland forms part of a separate customs territory to Great Britain."
[6] ABl. EU L 269 vom 10.10.2013, 1.
[7] ABl. EU L 82 vom 22.03.1997, 1.
[8] ABl. EU L 84 vom 31.03.2010, 1.
[9] ABl. EU C 248 vom 25.06.2021, 3.

2.2 Waren, die unmittelbar aus Drittländern in Nordirland eingeführt werden

Für Waren, die auf direktem Weg aus Drittländern in NI eingeführt werden, wird der – anschließend wieder weitgehend ausgehebelte – Grundsatz festgelegt, dass für sie die im VK geltenden Zölle gelten (Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 2 des Protokolls). Allerdings gilt dies nicht für Waren, die anschließend selbst oder nach Veredelung als Teil einer anderen Ware in die Union verbracht werden könnten (ibid.). Art. 5 Abs. 2 des Protokolls legt hierzu den Grundsatz fest, dass eine Ware, die von außerhalb der Union nach Nordirland verbracht wird, anschließend in die Union verbracht werden könnte, es sei denn, es ist nachgewiesen, dass diese Ware

  1. in NI nicht gewerblich veredelt wird[10] und
  2. die vom Gemeinsamen Ausschuss festgelegten Kriterien erfüllt.

Der Begriff "nichtgewerbliche Veredelung" ist vom Gemeinsamen Ausschuss in Art. 2 des Beschlusses über die Bestimmung von Waren, bei denen keine Gefahr besteht (im Folgenden: Beschluss), wie folgt definiert worden:[11]

Es wird davon ausgegangen, dass eine Ware nicht gewerblich veredelt wird, wenn

  • die Person, die eine Anmeldung zur Überführung der betreffenden Ware in den zollrechtlich freien Verkehr abgibt oder in deren Namen eine solche Anmeldung abgegeben wird (im Folgenden "Einführer"), in ihrem letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr einen jährlichen Gesamtumsatz von weniger als 500.000 GBP erzielt hat oder
  • die Veredelung in NI und nur zu den folgenden Zwecken erfolgt:

    • zum Verkauf von Lebensmitteln an Endverbraucher im VK;
    • zu Bauzwecken, wenn die veredelten Waren dauerhaft Teil eines vom Einführer in NI errichteten Bauwerks werden;
    • für die direkte Erbringung von Gesundheits- oder Pflegedienstleistungen an Empfänger in NI durch den Einführer;
    • für nicht gewinnorientierte Tätigkeiten in NI, bei denen kein anschließender Verkauf der veredelten Waren durch den Einführer stattfindet, oder
    • für die Endverwendung von Futtermitteln durch den Einführer in Betrieben in NI.

Die weiteren Kriterien für das Ausschließen der Gefahr, dass die Waren anschließend in das Gebiet der Union verbracht werde...

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