Dr. Holger Niehaus, Dr. Peter Kotz
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Die Frist ist nur gewahrt, wenn die Anfechtungserklärung rechtzeitig und vollständig vor Fristablauf dem richtigen Adressaten zugeht. |
2. |
Zugang bedeutet bei Schriftstücken, dass die Erklärung vor Ablauf der Frist in den Gewahrsam des richtigen Adressaten gelangt sein muss. In Betracht kommen persönliche Einlieferung oder Postversand, z.B. durch Einschreiben. |
3. |
Bei elektronischen Dokumenten ist der Eingang erfolgt, sobald das (technisch geeignete) Dokument auf der für den Empfang bestimmten Einrichtung des Gerichts gespeichert ist. |
4. |
Befindet sich der Rechtsmittelführer nicht auf freiem Fuß, kann er sein Rechtsmittel und die sich darauf beziehenden Erklärungen auch zu Protokoll der Geschäftsstelle des AG geben, in dessen Bezirk die Anstalt liegt, in der er auf behördliche Anordnung verwahrt wird. |
Rdn 1571
Literaturhinweise:
s. die Hinw. bei → Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Fristen, Allgemeines, Teil A Rdn 1542.
Rdn 1572
1. Die Frist ist nur gewahrt, wenn die Anfechtungserklärung rechtzeitig und vollständig vor Fristablauf dem richtigen Adressaten (→ Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Einlegung, Teil A Rdn 1465 ff.) zugeht (zum Zugang Teil A Rdn 1573 ff.).
Rdn 1573
2. Zugang bedeutet bei Schriftstücken, dass die Erklärung vor Ablauf der Frist in den Gewahrsam des richtigen Adressaten gelangt sein muss (BVerfG NJW 1980, 580). Der Eingang elektronischer Dokumente, für Erklärungen des Verteidigers oder Rechtsanwalts in den in § 32d S. 2 genannten Fällen verpflichtend (!), richtet sich nach § 32a Abs. 5. Danach ist der Eingang erfolgt, sobald das Dokument auf der für den Empfang bestimmten Einrichtung der Behörde oder des Gerichts gespeichert ist. Zum Nachweis ist dem Absender eine automatisierte Bestätigung über den Zeitpunkt des Eingangs zu erteilen. Ist das eingereichte Dokument zur Bearbeitung ungeeignet (zur Eignung § 32a Abs. 2 und die Elektronische Rechtsverkehr-Verordnung ERVV, s. https://www.gesetze-im-internet.de/ervv/), muss der Absender darüber unverzüglich informiert werden (§ 32a Abs. 6 S. 1). Nach § 32 Abs. 6 S. 2 wird der formgerechte Eingang zum Zeitpunkt der früheren Einreichung fingiert, sobald der Absender es in geeigneter Form nachreicht und glaubhaft macht, dass es mit dem zuerst eingereichten Dokument übereinstimmt.
Rdn 1574
3. Für den fristwahrenden Zugang von Schriftstücken gilt:
a) Besteht eine gemeinsamen Einlauf-/Poststelle mehrerer Justizbehörden, was zumeist für AG und LG sowie für die StA der Fall ist, hängt der Frist wahrende Zugang nach der Rspr. von der zutreffenden Adressierung der Anfechtungserklärung ab (BGH MDR 1983, 214; BayObLG NJW 1988, 714; OLG Frankfurt am Main NStZ-RR 2000, 212; OLG Hamm NStZ-RR 2010, 21; OLG Stuttgart NStZ 1987, 185 m. abl. Anm. Maul; Burhoff, HV, Rn 701 ff., Rn 2884 ff.; a.A. HK-Brauer, §§ 42, 43 Rn 23; KK/Schneider-Glockzin, § 43 Rn 16; LR-Graalmann-Scherer, vor § 42 Rn 22 ff.; Meyer-Goßner/Schmitt, vor § 42 Rn 17).
☆ Existiert in der Poststelle der Justizbehörde (auch) ein für die Stadtverwaltung bestimmtes Einlagefach, das nach Auskunft des Personals der Poststelle täglich geleert wird, darf der Verteidiger in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren darauf vertrauen, dass sein Einspruch gegen den Bußgeldbescheid innerhalb von sechs Tagen, davon vier Arbeitstage, bei dem zuständigen Amt eingehen wird (BVerfG NJW 1991, 1167).Poststelle der Justizbehörde (auch) ein für die Stadtverwaltung bestimmtes Einlagefach, das nach Auskunft des Personals der Poststelle täglich geleert wird, darf der Verteidiger in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren darauf vertrauen, dass sein Einspruch gegen den Bußgeldbescheid innerhalb von sechs Tagen, davon vier Arbeitstage, bei dem zuständigen Amt eingehen wird (BVerfG NJW 1991, 1167).
Rdn 1575
b) Die persönliche Einlieferung ist möglich durch Einwurf in den (Nacht-)Briefkasten (BGH NJW 1981, 1216), und zwar auch, wenn dieser vor Fristablauf nicht mehr geleert wird (BVerfG NJW 1976, 255), oder durch Abgabe des Schriftstücks in der Posteinlaufstelle des Gerichts. Der Nachweis der Rechtzeitigkeit erfolgt über den Eingangsstempel, bei dem es sich um eine öffentliche Urkunde (§ 418 Abs. 1 ZPO) handelt, deren Beweiskraft durch die schlichte Behauptung, die Rechtsmittelschrift sei rechtzeitig abgegeben/eingeworfen worden, nicht erschüttert werden kann (BGH, Beschl. v. 26.6.2018 – 3 StR 181/18; KG, Beschl. v. 11.7.2001 – 5 Ws 376/01).
☆ Im Fall der persönlichen Einlieferung tut man gut daran, neben dem einzuliefernden Schriftstück eine Kopie mitzuführen , die der in der Posteinlaufstelle tätige Gerichtswachtmeister auf entsprechende Bitte ebenfalls mit dem Eingangsstempel versieht.Kopie mitzuführen, die der in der Posteinlaufstelle tätige Gerichtswachtmeister auf entsprechende Bitte ebenfalls mit dem Eingangsstempel versieht.
Rdn 1576
c)aa) Beim Postversand gelangt das Schriftstück in den gerichtlichen Gewahrsam durch Einsortierung in das Postfach, bzw. der (dortigen) Hinterlegung der Benachrichtigung über eine Einschre...