Dr. Holger Niehaus, Dr. Peter Kotz
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Schaubild: Verwerfung der Berufung wegen Unzulässigkeit durch AG/LG. |
2. |
Über Rechtsmittel entscheidet dem Grundsatz nach ohne Rücksicht auf die Zulässigkeit das Rechtsmittelgericht. |
3. |
Die Verwerfungspflicht durch das AG ist ausschließlich darauf beschränkt, dass die Berufungseinlegungsfrist (§ 314 Abs. 1) nicht gewahrt wurde. |
4. |
Das AG entscheidet nach Anhörung der StA (§ 33 Abs. 2) durch Beschluss. |
5. |
Macht der Berufungsführer von den ihm eingeräumten Anfechtungsmöglichkeiten keinen Gebrauch, beendet der Verwerfungsbeschluss des AG das Berufungsverfahren. |
6. |
Der Verwerfungsbeschluss des AG kann durch Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und/oder durch Antrag auf Entscheidung des Berufungsgerichts angefochten werden. |
Rdn 355
Literaturhinweise:
s. die Hinw. bei → Berufung, Allgemeines, Teil A Rdn 2.
Rdn 356
1. Die Verwerfung der Berufung wegen Unzulässigkeit durch AG oder LG verdeutlicht folgendes
Schaubild: Verwerfung der Berufung wegen Unzulässigkeit
Rdn 357
2. Über Rechtsmittel entscheidet dem Grundsatz nach ohne Rücksicht auf die Zulässigkeit das Rechtsmittelgericht. Es bedarf daher einer besonderen Vorschrift, wenn aus Zweckmäßigkeitsgründen erreicht werden soll, dass das Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, ausnahmsweise selbst über das Rechtsmittel befinden soll (BayObLG NJW 1963, 63 zur Revision).
☆ Nach § 319 Abs. 1 kann die Berufung gegen das amtsgerichtliche Urteil im Fall einer verspäteten Einlegung auch durch das AG selbst als unzulässig verworfen werden.Berufung gegen das amtsgerichtliche Urteil im Fall einer verspäteten Einlegung auch durch das AG selbst als unzulässig verworfen werden.
Die Verwerfungskompetenz besteht auch in Fällen der Annahmeberufung (§ 313) und bei noch nicht ausgeübter Wahl des Rechtsmittels (§ 335).
Rdn 358
3. Die Verwerfungspflicht durch das AG (§ 319 Abs. 1: "hat") ist ausschließlich darauf beschränkt, dass die Berufungseinlegungsfrist (§ 314 Abs. 1) nicht gewahrt wurde, da sich dies aufgrund des vorliegenden Urteils, des Protokolls der HV und der dazugehörigen Zustellungsnachweise relativ leicht feststellen lässt. Daher konnte der Gesetzgeber wie im Revisionsverfahren (§ 346 Abs. 1) den Tatrichter damit betrauen, die Verfristung festzustellen und dadurch StA (Aktentransfer, §§ 320, 321) und Berufungsgericht (§ 322) zu entlasten. Bloße Zweifel an der Fristwahrung reichen zur Verwerfung nicht aus (KG, Beschl. v. 4.8.1997 – 3 Ws 405/97; Meyer-Goßner/Schmitt, § 319 Rn 1).
☆ Weitere Zulässigkeitsfragen (z.B. ein wirksamer Rechtsmittelverzicht oder mangelnde Beschwer) hat das AG nicht zu prüfen und darüber auch nicht zu entscheiden (OLG Frankfurt am Main NStZ-RR 2011, 49; OLG Koblenz NStZ-RR 2011, 211 [Ls.]; Burhoff , HV, Rn 894 ff.). Auch über die verspätete Einlegung darf das AG nicht (mehr) entscheiden, wenn die Berufung nicht nur verfristet, sondern auch aus anderen Gründen (z.B. Formmängel) unzulässig ist (h.M., BGH NStZ 2000, 217 m.w.N.; a.A. BeckOK StPO/ Eschelbach , § 319 Rn 3 [ Mitentscheidung ]). (z.B. ein wirksamer Rechtsmittelverzicht oder mangelnde Beschwer) hat das AG nicht zu prüfen und darüber auch nicht zu entscheiden (OLG Frankfurt am Main NStZ-RR 2011, 49; OLG Koblenz NStZ-RR 2011, 211 [Ls.]; Burhoff, HV, Rn 894 ff.). Auch über die verspätete Einlegung darf das AG nicht (mehr) entscheiden, wenn die Berufung nicht nur verfristet, sondern auch aus anderen Gründen (z.B. Formmängel) unzulässig ist (h.M., BGH NStZ 2000, 217 m.w.N.; a.A. BeckOK StPO/Eschelbach, § 319 Rn 3 ["Mitentscheidung"]).
Rdn 359
4.a) Das AG entscheidet nach Anhörung der StA (§ 33 Abs. 2) durch Beschluss, Die vorherige Anhörung des Berufungsführers ist gesetzlich nicht vorgesehen (Burhoff, HV, Rn 880). Es kann jedoch in Beachtung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) geboten sein, die Stellungnahme der StA dem Berufungsführer vor der Entscheidung bekannt zu machen und ihm Gelegenheit zur Äußerung zu geben (BeckOK StPO/Eschelbach, § 319 Rn 8).
Rdn 360
b) Der Beschluss muss begründet werden (§ 34) und ist dem Berufungsführer (auch dem Angeklagten bei Berufung des gesetzlichen Vertreters oder Erziehungsberechtigten). Er ist zusammen mit einer Rechtsmittelbelehrung, die auch den Hinweis auf Frist nach § 319 Abs. 2 S. 1 zu enthalten hat (§ 35a Abs. 1 S. 1), zuzustellen (§ 37).
Rdn 361
c) Wurde noch vor der Entscheidung des AG Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Einlegungsfrist beantragt, hat das AG seine Entscheidung zurückzustellen (BeckOK StPO/Eschelbach, § 319 Rn 4) und die Akten dem Berufungsgericht vorzulegen, da es selbst Wiedereinsetzung nicht gewähren kann (Teil A Rdn 369 f.; zur Wiedereinsetzung → Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Allgemeines, Teil B Rdn 1521).
Rdn 362
5. Macht der Berufungsführer von den ihm eingeräumten Anfechtungsmöglichkeiten keinen Gebrauch, beendet der Verwerfungsbeschluss des AG das Berufungsverfahren.
☆ Dies gilt auch für eine unter Überschreitung der – beschränkten – Verwerfungskompet...