Detlef Burhoff, Dr. iur. Thorsten Junker
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Die Beschwer ist eine weitere Zulässigkeitsvoraussetzung eines Rechtsmittels/Rechtsbehelfs. |
2. |
Die Beschwer ergibt sich i.d.R. aus dem Urteils- oder Beschlusstenor. |
3. |
Die Beschwer muss zum Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels/Rechtsbehelfs noch andauern. |
4. |
Eine Beschwer der StA ist stets gegeben. |
5. |
Die Beschwer des Angeklagten ist bei jeder für ihn nachteiligen Entscheidung anzunehmen. |
6. |
Der Nebenkläger kann nur beschwert sein, wenn der von ihm erstrebte Schuldspruch nicht erfolgt ist. |
Rdn 1384
Literaturhinweise:
Jäger, Grund und Grenzen des Gesetzlichkeitsprinzips im Strafprozessrecht, GA 2006, 615
Leitner, Anklageerhebung ohne Schlussgehör – ein Zustand ohne Beschwer und Folgen?, in: FS für Klaus Volk zum 65. Geburtstag, 2009, S. 301
von Stülpnachgel, Die wesentliche Voraussetzungen des Einlegens und der Begründung der strafprozessualen Revision, JA 2004, 231.
Rdn 1385
1. Die Beschwer ist eine weitere – mit der Anfechtungsbefugnis (→ Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Befugnis, Teil A Rdn 1323 ff.) korrespondierende – Zulässigkeitsvoraussetzung eines Rechtsmittels/Rechtsbehelfs (Meyer-Goßner/Schmitt, vor § 296 Rn 8 m.w.N.; krit. SK-StPO/Frisch, vor § 296 Rn 123 f.). Das allein auf Richterrecht basierende Kriterium soll dazu dienen, (tatsächliche) Belastungen eines Beschwerdeführers zu korrigieren, die ihm durch die angefochtene Entscheidung erwachsen (LR-Jesse, vor § 296 Rn 47).
☆ Beschwert ist demzufolge nur, wer durch eine gerichtliche Entscheidung (oder deren Unterlassen [Rdn 1393 ]) in seinen Rechten oder schutzwürdigen Interessen unmittelbar beeinträchtigt ist (h.M.; Graf/ Cirener , § 296 Rn 7/9; Meyer-Goßner/Schmitt , Vor § 296 Rn 9 jew. m.w.N.).1393]) in seinen Rechten oder schutzwürdigen Interessen unmittelbar beeinträchtigt ist (h.M.; Graf/Cirener, § 296 Rn 7/9; Meyer-Goßner/Schmitt, Vor § 296 Rn 9 jew. m.w.N.).
Rdn 1386
2. Sedes materiae einer Beschwer ist i.d.R. der Urteils- oder Beschlusstenor; nur in wenigen Fällen kann – da der Grundsatz der Tenorbeschwer kein Dogma darstellt (LR-Jesse, vor § 296 Rn 57) – eine Beschwer von den Entscheidungsgründen ausgehen (Meyer-Goßner/Schmitt, vor § 296 Rn 11 ff. m.w.N.; zuletzt BGH, Beschl. v. 17.10.2015 – 1 StR 56/15 m.w.N. im Verfahren Mollath; u.a. OLG Braunschweig, Beschl. v. 8.2.2016 – 1 Ws 340/15; OLG Frankfurt/Main NStZ-RR 2010, 346, jew. m.w.N.). Anerkannt ist dies z.B., wenn allein in den Urteilsgründen besondere Schuldschwere (§ 57a StGB) angenommen wird (BGHSt 38, 121, 125; vgl.a. noch BGH, Beschl. v. 17.10.2015, a.a.O.). Eine Beschwerde, die sich. Auch die Bereinigung etwaiger Grundrechtsverletzungen durch die Begründung einer Entscheidung ist nicht Aufgabe des strafprozessualen Rechtsmittelsystems (OLG Braunschweig, a.a.O.).
Rdn 1387
3. Die Beschwer muss zum Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels/Rechtsbehelfs noch andauern. Ist sie entfallen, ist das Rechtsmittel unzulässig (OLG Stuttgart Justiz 2012, 301). Dies gilt zunächst auch für beschwerende Entscheidungen, die aufgrund ihres Vollzugs oder auf andere Weise die Rechte des Entscheidungsadressaten aktuell nicht mehr (unmittelbar) beeinträchtigen. I.d.R. handelt es sich hier um Fälle der sog. prozessualen Überholung.
Rdn 1388
Ausgenommen hiervon sind Konstellationen, in denen Wiederholungsgefahr besteht oder wenn das schutzwürdige Interesse des Verfahrensbetroffenen (wie etwa bei Ordnungsmaßnahmen nach § 181 GVG; Meyer-Goßner/Schmitt, vor § 296 Rn 18) beeinträchtigt ist.
☆ In Fällen schwerwiegender Grundrechtsbeeinträchtigung kann es indessen der Anspruch auf Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) erfordern, in angemessenem zeitlichen Zusammenhang mit dem Vollzug einer gerichtlich angeordneten Maßnahme (BVerfG NJW 2005, 1855) die Feststellung der Rechtswidrigkeit zu ermöglichen (s. z.B. zur Durchsuchung: Burhoff , EV, Rn 1548 ff. m.w.N.; Burhoff , EV, Rn 3228 ff.).Feststellung der Rechtswidrigkeit zu ermöglichen (s. z.B. zur Durchsuchung: Burhoff, EV, Rn 1548 ff. m.w.N.; Burhoff, EV, Rn 3228 ff.).
Rdn 1389
4. Eine Beschwer der StA ist stets gegeben, entweder weil die gerichtliche Entscheidung nicht ihrem Antrag (auch zugunsten des Angeklagten, § 296 Abs. 2) entsprechend ergangen ist oder weil sie ihre Funktion als "Wächterin des Gesetzes" wahrnimmt (Meyer-Goßner/Schmitt, Vor § 296 Rn 16 m.w.N.).
Rdn 1390
5.a) Die Beschwer des Angeklagten ist bei jeder für ihn nachteiligen Entscheidung anzunehmen, insbesondere im Fall eines Schuldspruchs, Strafausspruchs, der Verhängung einer Maßregel der Besserung und Sicherung oder der Verhängung von Nebenfolgen. Bei Strafaussetzung zur Bewährung beschwert diese den Angeklagten, wenn die Strafe durch – anzurechnende – U-Haft bereits verbüßt ist (BGH NJW 1961, 1220). Auch Bewährungsauflagen (§ 56b StGB) und -weisungen (§ 56c StGB) können beschweren und deshalb angefochten (§ 305a) werden. Ein Nachteil kann auch darin liegen, dass dem Verurteilten Zahlungserleichterungen (§ 42 StGB) versagt werden.