Daniel Amelung, Lars Bachler
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Entscheidungen der Gerichte im Ermittlungsverfahren sind der Anfechtbarkeit nach §§ 23 ff. EGGVG mangels Vorliegens von Justizverwaltungsakten entzogen. Rechtsschutz eröffnen allein die Regelungen der StPO. |
2. |
Nach h.M. sind auch Maßnahmen der StA im EV weitgehend der Anfechtbarkeit nach §§ 23 ff. EGGVG entzogen, auch wenn gegen diese mit Rechtsbehelfen nach der StPO nicht vorgegangen werden kann. |
3. |
Gegen repressive Maßnahmen der Polizei ist der Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG ebenfalls regelmäßig ausgeschlossen, da eine gerichtliche Kontrolle über eine analoge Anwendung von § 98 Abs. 2 S. 2 erfolgt. Handelt die Polizei hingegen präventiv, ist der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 VwGO eröffnet. |
4. |
Nehmen die Finanzbehörden in steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren nach §§ 386 Abs. 2, 399 Abs. 1 oder § 402 Abs. 1 AO Maßnahmen vor, unterliegen diese den Rechtsbehelfen der StPO. |
5. |
Gegen die Ablehnung der Ersetzung eines befangenen StA besteht allein die Möglichkeit zu einer Gegenvorstellung bzw. Dienstaufsichtsbeschwerde. |
6. |
Geben StA oder Polizei- bzw. Finanzbehörden eine Presseerklärung in Zusammenhang mit einem laufenden EV zur Information der Öffentlichkeit ab, kann sich ein Betroffener nur über §§ 40 ff. VwGO zur Wehr setzen. |
Rdn 421
Literaturhinweise:
s. die Hinw. bei → Justizverwaltungsakte, Anfechtung (§§ 23 ff. EGGVG), Allgemeines, Teil B Rdn 324.
Rdn 422
1. Ein weitestgehend noch nicht abgeschlossenes Diskussionsfeld bietet die Frage, ob sich ein Betroffener auch während eines laufenden EV mit einem Antrag nach §§ 23 ff. EGGVG gegen Maßnahmen der Ermittlungsbehörden zur Wehr setzen kann. Soweit es sich um gerichtliche Entscheidungen handelt, stellen diese schon vom Wortlaut her keine Justizverwaltungsakte dar. Rechtsschutzmöglichkeiten richten sich daher ausschließlich nach den Regelungen der StPO. Anders verhält es sich indessen bei staatsanwaltschaftlichen Maßnahmen im Ermittlungsverfahren. Hierbei könnte es sich formal um Justizverwaltungsakte handeln, so dass soweit nicht vorrangig wegen der Subsidiaritätsklausel des § 23 Abs. 3 EGGVG Rechtsbehelfe hiergegen in der StPO vorhanden sind, der Rechtsweg nach § 23 EGGVG eröffnet wäre. Die Rspr. verneint dies indessen mit der Begründung, dass solche Maßnahmen Prozesshandlungen darstellen, die ausschließlich mit den Rechtsbehelfen der StPO angegriffen werden können (BGH, Beschl. v. 16.10.2020 – 1 ARs 3/20, NStZ-RR 2021, 52).
Rdn 423
2. Gegen die Begründung der Eigenschaft als Beschuldigter und die (weitere) Durchführung eines Ermittlungsverfahrens steht dem Betroffenen daher nach h.M. kein Rechtsschutz zur Verfügung (KG, Beschl. v. 31.5.2010 – 1 VAs 40/09, StraFo 2010, 428; OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 18.9.2007 – 3 VAs 33/07, NStZ-RR 2008, 78; OLG Hamburg, Beschl. v. 25.4.1972 – VAs 1/72, NJW 1972, 1586; OLG Hamm Beschl. v. 11.3.2014 – 1 VAs 13/14; OLG Jena, Beschl. v. 19.8.2004 – 1 VAs 5/04, NStZ 2005, 343; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 30.4.1982 – 4 VAs 22/82, NStZ 1982, 434; OLG Stuttgart, Beschl. v. 16.2.1987 – 4 VAs 4/87, Justiz 1987, 199; i.E. a. Bottke StV 1986, 120, 121). Solche Maßnahmen der StA seien funktional nicht der Justizverwaltung, sondern der Rechtspflege zuzuordnen. Als Ausdruck prozessgestaltender Betätigung können diese nicht einer besonderen gerichtlichen Nachprüfung außerhalb des Strafverfahrensrechts unterliegen (Altenhain DRiZ 1970, 105). Dies gelte auch bei einer zögerlichen Bearbeitung eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens (OLG Hamm, Beschl. v. 23.9.1982 – 7 VAs 68/82, NStZ 1983, 38, 39). Solche Maßnahmen lassen sich daher allenfalls mit den in der StPO vorgesehenen Mitteln angreifen (Kissel/Mayer, § 23 EGGVG Rn 31).
Rdn 424
Dem gegenüber vertritt eine beachtliche Meinung im Schrifttum die Auffassung, dass §§ 23 ff. EGGVG auch derartige Prozesshandlungen der StA einschließe und im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG ein entsprechender Rechtsschutz zur Verfügung stehen muss, den die StPO gerade nicht vorsieht (Brete/Thomsen wistra 2008, 367, 370; Eckstein NStZ 2017, 609, 617; Eisenberg/Conen NJW 1998, 2241, 2247; Füßer/Viertel NStZ 1999, 116, 118, Kölbel JR 2006, 322, 323; s.a. OVG Schleswig, Beschl. v. 17.7.2023 – 2 O 5/23; BayVerfGH, Beschl. v. 10.12.2015 – 5 C 15.2518).
☆ Das letzte Wort ist in der hierzu stattfindenden Diskussion wohl noch nicht gesprochen . Das BVerfG neigt dazu, im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG eine Ausnahme vom Grundsatz der Unanfechtbarkeit staatsanwaltschaftlicher Prozesshandlungen zu bejahen, wenn ein Verstoß gegen das Willkürverbot geltend gemacht wird (etwa BVerfG, Beschl. v. 2.10.2003 – 2 BvR 660/03, NStZ 2004, 447). Dem folgend schließen Teile der Rspr. jedenfalls in extremen Fällen eine Anwendung der §§ 23 ff. EGGVG nicht mehr kategorisch aus (BayObLG, Beschl. v. 14.4.2020 – 203 VAs 42/20; OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 18.9.2007 – 3 VAs 33/07, NStZ-RR 2008, 78; OLG Jena a.a.O.; OLG Schleswig, Beschl. v. 16.2.2007 – 2 VAs 2/07, SchlHA 2008, 2...