Daniel Amelung, Lars Bachler
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Über den Antrag entscheidet das Gericht, bei dem die Frist hätte eingehalten werden müssen. |
2. |
Im Verfahren ist dem Angeklagten/Betroffenen rechtliches Gehör zu gewähren. |
3. |
Über den Wiedereinsetzungsantrag wird durch Beschluss entschieden. |
4. |
Durchbricht die positive Wiedereinsetzungsentscheidung die Rechtskraft einer Entscheidung gilt § 47 Abs. 3. |
5. |
Wird der Wiedereinsetzungsantrag verworfen, ist nach § 46 Abs. 3 sofortige Beschwerde zulässig. |
Rdn 1543
Literaturhinweise:
s. die Hinw. bei → Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Allgemeines, Teil B Rdn 1521.
Rdn 1544
1. Zum (Wiedereinsetzungs-)Verfahren ist auf Folgendes hinzuweisen:
Rdn 1545
a) Über den Antrag entscheidet im Strafverfahren nach § 46 Abs. 1 das Gericht, bei dem die Frist hätte eingehalten werden müssen. Selbst wenn der Antrag zulässigerweise beim Rechtsmittelgericht eingelegt wurde, hat zunächst der Instanzgericht zu entscheiden (LR-Graalmann-Scheerer, § 46 Rn 5 ff.; zuletzt OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.4.2018 – 2 Ws 151/18 m.w.N. zur a.A.; zur ggf. notwendigen Zurückstellung der Entscheidung, um dem Angeklagten einen anderen Pflichtverteidiger beizuordnen BGH, Beschl. v. 20.4.2022 – 1 StR 33/22, NStZ-RR 2024, 100 [Ci/Ni]).
☆ Hat ein unzuständiges Gericht entschieden, also z.B. das Tatgericht anstelle des Revisionsgerichts, ist das aber für das weitere Verfahren bindend ( Meyer-Goßner/Schmitt , § 46 Rn 7 m.w.N.).unzuständiges Gericht entschieden, also z.B. das Tatgericht anstelle des Revisionsgerichts, ist das aber für das weitere Verfahren bindend (Meyer-Goßner/Schmitt, § 46 Rn 7 m.w.N.).
Rdn 1546
b) Im Bußgeldverfahren richtet sich die Zuständigkeit zur Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag nach § 52 Abs. 1 und 2 OWiG. Insoweit gilt:
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Grds. entscheidet über den Wiedereinsetzungsantrag wegen Versäumung der Einspruchsfrist die Verwaltungsbehörde (§ 52 Abs. 2 S. 1 OWiG). |
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Das AG entscheidet über den Wiedereinsetzungsantrag wegen Versäumung der Einspruchsfrist nach § 52 Abs. 2 S. 2 OWiG, wenn es mit dem Rechtsbehelf selbst schon befasst ist. Das ist dann der Fall, wenn ihm die Akten nach Einspruch gegen den Bußgeldbescheid zur Entscheidung bereits vorgelegt worden sind und die Verwaltungsbehörde eine Fristversäumung übersehen hat (Göhler/Bauer, § 52 Rn 38). Das OLG hat insoweit keine Zuständigkeit (dazu Göhler/Bauer, § 52 Rn 4). |
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Über die Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde entscheidet nach § 46 Abs. 1, § 52 Abs. 1 OWiG das OLG. |
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Über den Wiedereinsetzungsantrag nach § 74 Abs. 4 OWiG entscheidet das AG. |
Rdn 1547
2. Im Verfahren ist dem Angeklagten/Betroffenen rechtliches Gehör zu gewähren. Insbesondere ist er ggf. aufzufordern, ergänzende Mittel der Glaubhaftmachung beizubringen, falls das vorliegende Material aus Sicht des Gerichts nicht ausreichend erscheint (→ Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Antrag, Teil B Rdn 1527).
☆ Nach § 45 Abs. 2 S. 1 kann die Glaubhaftmachung im Verfahren über den Wiedereinsetzungsantrag nachgeholt werden.Glaubhaftmachung im Verfahren über den Wiedereinsetzungsantrag nachgeholt werden.
Rdn 1548
3. Über den Wiedereinsetzungsantrag wird durch Beschluss entschieden, der entweder Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt oder den Wiedereinsetzungsantrag verwirft.
☆ Wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt , beginnt eine Frist zur Begründung eines Rechtsmittels erst mit Zustellung des die Wiedereinsetzung gewährenden Beschlusses zu laufen (zuletzt BGH, Beschl. v. 10.1.2017 – 4 StR 487/16; str. Rspr. seit BGHSt 30, 335; KG StV 2019, 826 [Ls.] zum Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde m.w.N.; OLG Koblenz, Beschl. v. 7.3.2017 – 2 OLG 4 Ss 138/16). Daran ändert sich auch dann nichts, wenn eine Rechtsmittelbegründung bereits vorliegt (BGH NJW 2002, 1436).Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt, beginnt eine Frist zur Begründung eines Rechtsmittels erst mit Zustellung des die Wiedereinsetzung gewährenden Beschlusses zu laufen (zuletzt BGH, Beschl. v. 10.1.2017 – 4 StR 487/16; str. Rspr. seit BGHSt 30, 335; KG StV 2019, 826 [Ls.] zum Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde m.w.N.; OLG Koblenz, Beschl. v. 7.3.2017 – 2 OLG 4 Ss 138/16). Daran ändert sich auch dann nichts, wenn eine Rechtsmittelbegründung bereits vorliegt (BGH NJW 2002, 1436).
Rdn 1549
4.a) Durchbricht die positive Wiedereinsetzungsentscheidung die Rechtskraft einer Entscheidung, also z.B. eines Berufungsurteils, gilt § 47 Abs. 3 (zum früheren Rechtszustand BVerfG NJW 2005, 3131 m.w.N. m. Anm. Mosbacher NJW 2005, 3110 m.w.N.). Danach werden ggf. Haftbefehle und Unterbringungsbefehle bzw. "sonstige Anordnungen", die zum Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft bestanden haben und gegenstandslos geworden sind, wieder wirksam werden. Die damit zusammenhängenden Fragen spielen vor allem eine Rolle, wenn die Frist zur Einlegung der Berufung oder Revision gegen ein Urteil versäumt und dagegen Wiedereinsetzung gewährt worden ist. Sie können aber auch Bedeutung erlange...