Rdn 790

 

Literaturhinweise:

s. die Hinw. bei → Strafbefehl, Allgemeines, Teil B Rdn 700.

 

Rdn 791

1. Den Inhalt eines Strafbefehls gibt § 409 Abs. 1 S. 1 vor, wobei sich die Vorschrift z.T. an der Anklageschrift (§ 200 Abs. 1 S. 1), z.T. am Strafurteil (§ 275 Abs. 3) orientiert. In der Praxis dient der überwiegende Teil der erlassenen Strafbefehle der justiziellen Bewältigung von Massenkriminalität, wodurch es auch zu den einer Massenabfertigung immanenten Ungenauigkeiten kommt:

 

Rdn 792

2. Die gesetzlichen Vorgaben des § 409 werden keineswegs strikt eingehalten, faktisch handelt es sich beim Strafbefehl um ein "Urteil light". Dies ist bedenklich, weil die h.M. § 409 Abs. 1 damit faktisch zur Soll- oder Ordnungsvorschrift degradiert, wenn sie über nahezu jeden Mangel mit der Begründung hinwegsieht, der Angeklagte könne gegen den Strafbefehl ja Einspruch einlegen. Das führt im Ergebnis dazu, dass jedes mit dem Ergehen einer gesetzlich so nicht vorgesehenen gerichtlichen Entscheidung einhergehende Risiko dem Angeklagten überbürdet wird. So berühren nach der h.M. auf Verstößen gegen § 409 Abs. 1 beruhende Mängel die Wirksamkeit des Strafbefehls i.d.R. nicht; allenfalls zeitigen sie nach Einlegung des Einspruchs Wirkung. Dazu folgende

 

Rdn 793

 

3. Übersichten zu (inhaltlichen) Mängeln des Strafbefehls

 

Rdn 794

 

a) Allgemeine Vorgaben/Mängel

Nr. 1 (Adressat Angeklagter Nebenbeteiligte) Mängel führen nicht zur Unwirksamkeit des Strafbefehls

 

☆ Der Strafbefehl richtet sich gegen die im Rubrum benannte Person, selbst wenn diese die Tat nicht begangen haben sollte, sodass der Adressat Angeklagter ist und einen Einspruch gegen den Strafbefehl einlegen muss . Insoweit besteht ein Unterschied zum Strafurteil, da durch dieses abgeurteilt wird, wer (unter welchem Namen auch immer) angeklagt und in der HV verurteilt worden ist (LG Berlin NStZ 2005, 119).Einspruch gegen den Strafbefehl einlegen muss. Insoweit besteht ein Unterschied zum Strafurteil, da durch dieses abgeurteilt wird, wer (unter welchem Namen auch immer) angeklagt und in der HV verurteilt worden ist (LG Berlin NStZ 2005, 119).

Nr. 2 (Verteidiger[in]): Mängel führen nicht zur Unwirksamkeit des Strafbefehls

Nr. 3 (Tatbezeichnung): Mängel führen nicht zur Unwirksamkeit des Strafbefehls

 

☆ Wird gegen einen Strafbefehl, der in Bezug auf die Tatbezeichnung Mängel aufweist, allerdings Einspruch eingelegt, muss der Strafbefehlsantrag die Funktion der – zugelassenen – Anklage (§ 407 Abs. 1 S. 4) erfüllen können. Genügt er nicht den Anforderungen des § 200, liegt ein Verfahrenshindernis vor, das zur Verfahrenseinstellung führt (OLG Karlsruhe StV 2005, 599).Funktion der – zugelassenen – Anklage (§ 407 Abs. 1 S. 4) erfüllen können. Genügt er nicht den Anforderungen des § 200, liegt ein Verfahrenshindernis vor, das zur Verfahrenseinstellung führt (OLG Karlsruhe StV 2005, 599).

Nr. 4 (Angewandte Vorschriften): Mängel führen nicht zur Unwirksamkeit des Strafbefehls

Nr. 5 (Beweismittel): Mängel führen nicht zur Unwirksamkeit des Strafbefehls

 

☆ Zeugen sollen jedoch mit Namen und Anschrift angegeben werden (BayObLG MDR 1970, 440; OLG Celle NJW 1970, 580 zu den Angaben im Bußgeldbescheid). Eine Bezugnahme auf den Akteninhalt ist nicht zulässig .Bezugnahme auf den Akteninhalt ist nicht zulässig.

 

Rdn 795

 

b) Mängel bei den Rechtsfolgen

Nr. 6 (Rechtsfolgen):

In einem Strafbefehl können nach § 407 Abs. 3 ausschließlich die folgenden Rechtsfolgen festgesetzt werden:

Absehen von Strafe,
Bekanntgabe der Verurteilung,
Einziehung,
Entziehung der Fahrerlaubnis (Höchstfrist der Sperre: zwei Jahre),
Fahrverbot,
Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr mit Strafaussetzung zur Bewährung,
Geldbuße gegen eine juristische Person oder Personenvereinigung,
Geldstrafe (bis 360 Tagessätze; bei Tatmehrheit bis 720 Tagessätze),
Unbrauchbarmachung,
Verfall,
Vernichtung,
Verwarnung mit Strafvorbehalt.
 

Rdn 796

Die Behandlung von Fehlern bei der Festsetzung von Rechtsfolgen ist umstr. Es wird wie folgt differenziert:

Teilweise wird generell Nichtigkeit angenommen (LR-Gössel, § 409 Rn 17), da nicht der Rechtskraft fähig (vgl. BGHSt 30, 93), sodass auch kein Strafklageverbrauch eintritt.
Teilweise wird generell von Unwirksamkeit (Unbeachtlichkeit) ausgegangen mit der Folge, dass kein Strafklageverbrauch eintritt und der Erlass eines neuen Strafbefehls wegen desselben Tatvorwurfs möglich ist (OLG Düsseldorf wistra 1984, 200; AnwKomm-StPO/Böttger, § 409 Rn 4; HK-Kurth, § 409 Rn 9; KMR-Metzger, § 409 Rn 19).
Zum Teil wird schließlich davon ausgegangen, dass der Strafbefehl nichtig, wenn kein Einspruch eingelegt wird, er hingegen wirksam nach Einlegung des Einspruchs als zugelassene Anklage, da diese keine Aussage über den Rechtsfolgenausspruch trifft und dieser auch nicht Teil des Eröffnungsbeschlusses nach § 207 ist (KK-Maur, § 409 Rn 24; Meyer-Goßner/Schmitt, § 409 Rn 7; SK/Weßlau, § 409 Rn 16).
 

☆ Dogmatisch am überzeugendsten ist es bei Fehlen von Rechtsfolgen insgesamt, von der Nic...

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