Das Wichtigste in Kürze:

1. Die Unterbrechung der Strafvollstreckung oder ein Strafaufschub kann nach § 360 Abs. 2 vom Gericht gewährt werden, wenn der Wiederaufnahmeantrag Erfolgsaussichten hat.
2. Zuständig für die vorzunehmende Entscheidung ist ausschließlich das nach § 140a GVG zuständige Gericht.
3. Allein der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder die Zulässigkeit eines Wiederaufnahmeantrags begründen noch nicht automatisch die Vollstreckungshemmung.
4. Gegen die Versagung der Vollstreckungshemmung kann sofortige Beschwerde eingelegt werden (§ 372 S. 1). Dem Nebenkläger steht jedoch kein Rechtsmittel gegen eine solche Entscheidung zu.
5. Fallen die Voraussetzungen des § 360 Abs. 2 weg, kann die Vollstreckungshemmung jederzeit wieder aufgehoben werden.
 

Rdn 1386

 

Literaturhinweise:

Radtke, Materielle Rechtskraft bei der Anordnung freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung und Sicherung, ZStW 110, 297

s.a. die Hinw. bei → Wiederaufnahme, Allgemeines, Teil B Rdn 1054.

 

Rdn 1387

1.a) Grds. wird erst mit dem Beschluss nach § 370 Abs. 2 über die Wiederaufnahme des Verfahrens und die neue HV die Vollstreckung unterbrochen (Meyer-Goßner/Schmitt, § 370 Rn 11), da die angegriffene Entscheidung aufgrund ihrer Rechtskraft die Vermutung der Richtigkeit enthält (Marxen/Tiemann, Rn 494). Die Unterbrechung der Strafvollstreckung oder ein Strafaufschub, ebenso die Vollstreckung von freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung (§§ 63 – 66 StGB) kann nach § 360 Abs. 2 aber schon früher vom Gericht gewährt werden, wenn der Wiederaufnahmeantrag Erfolgsaussichten hat (KG, Beschl. v. 27.3.2000 – 4 Ws 67/00; LG Gießen NJW 1994, 467).

 

☆ Ein gesonderter Antrag ist nicht erforderlich, die Entscheidung ergeht von Amts wegen ( Marxen/Tiemann , Rn 501).von Amts wegen (Marxen/Tiemann, Rn 501).

 

Rdn 1388

b) Eine Entscheidung über die Vollstreckungshemmung ist unabhängig davon möglich, ob nur eine Einzelstrafe oder eine Gesamtstrafe vollstreckt wird. Es ist in diesem Fall aber über die Vollstreckung der weiteren Einzelstrafen nach §§ 449 ff. zu entscheiden (OLG Hamm JMBl. NW 1990, 140). Eine Unterbrechung oder ein Aufschub ist auch bei verhängtem Berufsverbot (§ 70 StGB) oder bei einem Fahrverbot (§ 44 StGB), nicht aber bei der Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB) möglich (offen gelassen von OLG Hamm VRS 38, 39; vgl. zu den Einzelheiten Marxen/Tiemann, Rn 496). Für Verfalls- und Einziehungsanordnungen gilt § 68 Abs. 1 S. 1 StrVollstrO: Von der Verwertung, Vernichtung oder Unbrauchbarmachung kann danach vorübergehend abgesehen werden.

 

☆ Erfolgt im wiederaufgenommenen Verfahren erneut eine Verurteilung, gilt der Zeitraum während des Wiederaufnahmeverfahrens, in welchem die Vollstreckung gehemmt wurde, als Unterbrechung der Vollstreckung i.S.v. § 462a Abs. 1 S. 2 (OLG Frankfurt/Main NStZ-RR 2005, 30 f.).§ 462a Abs. 1 S. 2 (OLG Frankfurt/Main NStZ-RR 2005, 30 f.).

 

Rdn 1389

2. Zuständig für die vorzunehmende Entscheidung ist ausschließlich das nach § 140a GVG zuständige Gericht. Die StA ist anzuhören (§ 33 Abs. 2), wenn sie den Antrag nicht selbst gestellt hat. Wenn ein Beschluss gem. §§ 368 Abs. 2, 370 Abs. 1 ergangen ist und hiergegen sofortige Beschwerde eingelegt wurde, dann ist das Beschwerdegericht auch für die Entscheidung nach § 360 Abs. 2 zuständig (Meyer-Goßner/Schmitt, Rn 4 m.w.N.).

 

Rdn 1390

3.a) Allein der Wiederaufnahmeantrag hemmt die Vollstreckung noch nicht (§ 360 Abs. 1). Auch der Zulassungsbeschluss allein reicht für eine Vollstreckungshemmung nach h.M. in der Rspr. nicht aus (vgl. etwa KG, Beschl. v. 19.11.1998, 4 Ws 250/98; Beschl. v. 27.3.2000, 4 Ws 67/00; OLG Hamm MDR 1978, 691; Beschl. v. 12.10.1988, 2 Ws 443/88). In der Praxis ist es aber weitgehend üblich, dass die Gerichte bei einem zulässigen Antrag auf Wiederaufnahme die Vollstreckung aufschieben oder unterbrechen (vgl. a. Kühne, § 65 III, Rn 1119). Jedenfalls mit erfolgreichem Abschluss des Probationsverfahrens ist die Unterbrechung der Vollstreckung aber geboten (LG Aschaffenburg, StV 2003, 238).

 

☆ Die Voraussetzungen für eine Vollstreckungshemmung sind danach relativ eng , was damit zusammenhängt, dass selbst im Stadium der Zulässigkeit der Wiederaufnahme strukturell die Rechtskraft gegenüber der Einzelfallgerechtigkeit noch nicht durchbrochen und daher auch noch stärker gewichtet wird. Die behaupteten Tatsachen und Beweise müssen daher für eine Vollstreckungshemmung so erfolgversprechend sein, dass die weitere Vollstreckung bedenklich erscheint (KG, Beschl. v. 27.3.2000 – 4 Ws 67/00; OLG Hamm GA 1970, 309; MDR 1987, 691; JMBl. NW 1990, 140; OLG Karlsruhe Justiz 1979, 237).Voraussetzungen für eine Vollstreckungshemmung sind danach relativ eng, was damit zusammenhängt, dass selbst im Stadium der Zulässigkeit der Wiederaufnahme strukturell die Rechtskraft gegenüber der Einzelfallgerechtigkeit noch nicht durchbrochen und daher auch noch stärker gewichtet wird. Die behaupteten Tatsachen und Beweise müssen daher für eine Vollstreckungsh...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?